von Amrei Bahr und Jessica Schäfers
Der typische denXte-Abend vor Corona steht uns noch eindrücklich vor Augen: Volle Stuhlreihen im Haus der Universität in der Düsseldorfer Innenstadt, das geschäftige Treiben, Stühlerücken und vorfreudige Gemurmel des Publikums, bevor Professor Markus Schrenk die Bühne betritt, um den Gast des Abends vorzustellen. Im Anschluss an den Vortrag und die angeregten Diskussionen haben wir uns immer besonders über die Gelegenheit gefreut, mit unserem Publikum in kleineren Runden im Foyer Eindrücke und Argumente zu tauschen.
So entstand bei den Veranstaltungen vor Ort immer eine gewisse Nähe. Genau die war bis vor nicht allzu langer Zeit fester Teil des denXte-Konzepts: denXte ist die interaktive philosophische Vortragsreihe an der Heinrich-Heine-Universität. Sie hat das Ziel, interessierten Bürger*innen mithilfe von Gedankenexperimenten einen unterhaltsamen Zugang zu philosophischen Problemstellungen zu ermöglichen. Mit denXte konnte unser Publikum den philosophischen Fragen und Problemen ganz nah kommen – und hatte zugleich die Möglichkeit, mit Philosoph*innen von Angesicht zu Angesicht ins Gespräch zu kommen.
Aber von vorn: Jeder denXte-Abend nahm seinen Anfang mit der Vorstellung eines Gedankenexperiments zu einer aktuellen philosophischen Fragestellung durch unseren Gast – ein*e Philosoph*in, die*der sich mit dieser Fragestellung besonders gut auskennt. Philosophische Gedankenexperimente eignen sich besonders gut für einen Einstieg ins Philosophieren: Sie laden unmittelbar zum Denken ein und fordern unsere Vorstellungskraft heraus. Auf diese Weise können sie uns dabei helfen, uns über unsere Intuitionen hinsichtlich vielfältiger philosophischer Fragen und Problemstellungen klar zu werden. So wird Philosophie auch für philosophische Lai*innen zugänglich.
Mit einer Abstimm-App, die sich alle Anwesenden kostenlos auf ihre Smartphones laden konnten, gab es dann eine Abstimmung zur philosophischen Fragestellung des Abends: Jede*r im Publikum konnte so die eigenen Intuitionen zur Fragestellung in die Abstimmung einspeisen. Im Anschluss daran bot ein informativer Vortrag unseres Gastes Einblick in wichtige Überlegungen aus der zentralen philosophischen Debatte um diese Fragestellung. Im Rahmen einer Diskussion hatte das Auditorium anschließend die Gelegenheit, Verständnisfragen zu diskutieren sowie eigene Erwägungen und Argumente vorzubringen.
Schließlich wurden die Intuitionen des Auditoriums mithilfe des Abstimmungstools erneut abgefragt und die Ergebnisse der beiden Umfragen miteinander verglichen: Hatte sich die Einschätzung des Auditoriums im Anschluss an Vortrag und Diskussion verändert oder waren die Intuitionen weitgehend stabil geblieben?
Abschließend hatten die interessierten Bürger*innen Gelegenheit, sich mit Fachphilosoph*innen und Philosophiestudierenden bei einem Getränk auszutauschen und das gerade Gehörte weiter zu besprechen. So endeten die denXte-Abende für die Besucher*innen mit dem Eindruck: Philosophie passiert nicht nur im Elfenbeinturm, wo sie unerreichbar ist, sondern auch hier bei – und mit – uns. Philosophie kann nah- und greifbar sein und sogar Spaß machen!
Und dann kam Corona und die Sache mit der Nähe wurde hinfällig. Volle Stuhlreihen und gemütliche Gesprächsrunden mit fremden Personen waren auf einmal undenkbar. Diese neue Situation hat auch uns als denXte-Team vor eine große Herausforderung gestellt: Wie kann es gelingen, ein Format, dass sich philosophischen Problemstellungen durch die direkte Interaktion zwischen Fachphilosoph*innen und philosophischen Lai*innen annähert, ohne einen physischen Ort des Zueinanderfindens und Beisammenseins zu gestalten?
Als erste Lösung dieser Schwierigkeiten haben wir das digitale Format denXte eXtra initiiert. Um sowohl die Interaktion, also das Abstimmen und Diskutieren, als auch den Informationscharakter der typischen denXte-Veranstaltungen online beizubehalten, gibt es zu jeder Folge von eXtra einen entsprechenden Rahmen. Im ersten Schritt stellen wir Ihnen zu einem ausgewählten Thema informative Beiträge in unterschiedlichen Formaten zur Verfügung. Dabei kommen Philosoph*innen zu Wort, die Pro- und Contra-Positionen zu einer aktuellen philosophischen Problemstellung vorstellen. Durch ein digitales Abstimmungstool können Sie sich im Anschluss für die eine oder andere Position entscheiden. Außerdem geben wir Ihnen die Möglichkeit, mit anderen Besucher*innen zum Thema zu diskutieren.
Wir freuen uns über die riesige Resonanz dieses coronabedingten Online-Formats: Bislang haben bereits über tausend Personen an den Online-Abstimmungen teilgenommen – auch die Diskussionsräume auf unserer Webseite und in den sozialen Netzwerken (Instagram, Facebook) werden begeistert genutzt.
Die ersten denXte-eXtra-Folgen sind dem Thema gewidmet, über das im Frühjahr sowieso jede*r gesprochen hat: Sie drehen sich um die Corona-Pandemie. In der ersten Folge geht es etwa um die Frage, ob Menschenleben absolut schützenswert sind oder gegen andere Güter abgewogen werden dürfen. Mit denXte eXtra konnten wir so bereits vielen interessierten Bürger*innen einen philosophischen Blickwinkel auf diese aktuelle und brisante Fragestellung eröffnen – schauen Sie auch einmal vorbei!
Aber bei denXte eXtra ist es nicht geblieben: Sie können sich denXte nun auch per Livestream nach Hause holen – mit einer Online-Abstimmung und der Möglichkeit, ihre Nachfragen und Diskussionsbeträge über die sozialen Medien live in unser Gespräch einzubringen! Der nächste denXte-Livestream findet am 21. Januar 2020 um 19 Uhr statt: Prof. Dr. Vera Hoffmann-Kolss wirft die Frage auf, wann wir ein Ereignis verursachen – und welche Rolle dabei die Moral spielt. Alle Informationen und den Link zum Stream finden Sie hier. Und falls Sie nicht bis zum Januar abwarten möchten, laden wir Sie ein, den Mitschnitt unseres letzten Livestreams mit Prof. Dr. Joachim Horvath anzuschauen, der mit uns und dem Publikum über die Frage diskutiert hat, ob Wissen Glückssache ist. Zum Mitschnitt geht es hier entlang!
Wann es im Haus der Universität wieder volle Stuhlreihen geben wird, kann zu diesem Zeitpunkt noch niemand sagen. Bis wir uns wieder mit einem Glas Wein zum Diskutieren im Haus der Universität treffen können, freuen wir uns, Ihnen bei denXte-eXtra im digitalen Raum zu begegnen – ein Austausch unter Wahrung der Abstandsregeln, aber längst nicht distanziert!