von Sabine Merkens
Teil 1 unserer Reihe zur Sammlungsarbeit – denn nach der Ausstellung ist vor der Ausstellung!
Das Sammeln gehört zu den Kernaufgaben von Museen und anderen kulturellen Institutionen. Ziel ist es, Zeugnisse aus kultur- und naturhistorischen Kontexten an einen Ort zu bringen, sie wissenschaftlich zu erforschen, der gegenwärtigen Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen und für kommende Generationen zu erhalten. Bewahrenswert sind Sammlungen, weil es sich bei ihren Inhalten um das kulturelle Gedächtnis und Erbe der gesamten Menschheit und ihrer Umwelt handelt.
Sammelt Ihr etwas? Wahrscheinlich schon! Jeder der schon einmal selbst etwas gesammelt hat, weiß um den Ehrgeiz und die Mühe, die für eine möglichst vollständige Sammlung erforderlich sind.
Doch die Sammeltätigkeit ist vielseitig und kann vor allem für kulturelle Institutionen komplexer sein als man es sich zunächst vorstellt…
Die Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf verfügt über ein großes Konvolut an historischen Kinder- und Jugendbüchern. Ein Schwerpunkt liegt hierbei auf den Illustratoren der Düsseldorfer Malerschule. Ziel der Sammlung ist es, Kinder- und Jugendliteratur für die Nachwelt, insbesondere die Forschung, zu bewahren.Durch diese Sammlung bot sich auch uns Studierenden die Möglichkeit, mit den Originalen vor Ort im Sonderlesesaal der Bibliothek zu arbeiten – eine sehr wertvolle Erfahrung, die für alle Interessierten nur zu empfehlen ist! Man bekommt die Chance, die Bücher im Vergleich zu den Digitalisaten noch genauer unter die Lupe zu nehmen und ist in der Lage, kleinste Details zu entdecken.
Unweigerlich stellt sich die Frage, wie die Bücher ihren Weg in eine Sammlung gefunden haben und welchen Zweck sie zu früheren Zeiten erfüllten. Ob damals im Kinderzimmer, einer Schulklasse oder im Bücherregal aufbewahrt: Die Bücher sind Zeugnis vergangener Zeiten und spiegeln wider, wie gelebt, gespielt und gelehrt wurde.
Zeitdokumente wie diese zu erhalten und erfahrbar zu machen, gehört zu den Hauptaufgaben einer Sammlung.
Systematische Sammlungen finden sich in den verschiedensten Institutionen, wie Museen, Bibliotheken und Universitäten. Sie dienen der Öffentlichkeit und gleichzeitig dem Schutz und Erhalt des kultur- und naturhistorischen Erbes der Menschheit. Aufgrund der kontinuierlichen Fortführung und Dokumentation des Sammlungsguts handelt es sich beim Sammeln um eine zentrale Aufgabe und gleichzeitig um die Grundlage der auf der Sammlung basierenden Forschungs- und Vermittlungsarbeit von kulturellen Institutionen.
Grundlage für eine systematischen Sammlung kann ein Sammlungskonzept oder eine Sammlungsstrategie sein. Diese fixieren Zielsetzungen, legen Schwerpunkte fest und beinhalten Perspektiven zur Weiterentwicklung der jeweiligen Sammlung. Seinen Weg in die Sammlung findet das Sammlungsgut häufig über Nachlässe und Schenkungen aus privatem Besitz. Für die kontinuierliche Fortführung der Sammlung können jedoch auch Ankäufe getätigt werden.
Es handelt sich beim Sammlungsgut überwiegend um Originale, deren spezifischer Wert und Erhalt für die zukünftigen Generationen gesichert werden muss. Daher ist ein weiterer Aspekt der Sammlungsarbeit: das Bewahren. Es gilt, Objekte einer Sammlung vor dem Verfall oder vor Zerstörungen aller Art zu schützen. Des Weiteren ist es wichtig, die Sammlung als solche in ihren einzelnen Bestandteilen zusammenzuhalten und nicht einzelne Objekte zu veräußern oder anderweitig auszusondern. Die erstgenannten Aspekte dienen dem materialbezogenen Erhalt der Objekte und zählen somit zu den Aufgabengebieten der Konservierung und der Restaurierung. Weiteres zu diesem Themengebiet lest Ihr hier auf unserem Blog in einem neuen Beitrag zum Tag der Restaurierung am 10. Oktober 2021.
Ähnlich wie bei dem Sammeln handelt es sich beim Bewahren um ein Aufgabengebiet, das größtenteils abseits der öffentlichen Wahrnehmung ausgeführt wird, jedoch Grundlage für das Präsentieren, Ausstellen und Vermitteln ist.
Anschaulich wird der komplexe Themenbereich des Sammelns und des Bewahrens auch anhand der in Deutschland vielfältig und vielseitig vorhandenen Sammlungen Kinder- und Jugendliteratur. Bei vielen der systematischen Sammlungen historischer Kinderbücher handelt es sich um Bestände in Bibliotheken, wie beispielsweise um die Staatsbibliothek Berlin und die Bibliotheken der Universitäten in Frankfurt und Braunschweig . Auch gibt es Museen, die sich diesem speziellen Themengebiet widmen, wie das Burg Wissen Bilderbuchmuseum in Troisdorf.
Gegründet wurden diese Bilderbuchsammlungen ab den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts, was aber keineswegs bedeutet, dass die Kinder- und Jugendliteratur erst seit diesem Zeitpunkt für Sammler*innen von Interesse war. Vielmehr nahmen die heutigen Sammlungen zumeist ihre Anfänge durch Schenkungen und Nachlässe aus privatem Besitz oder wurden aus verschiedenen Bibliotheken an einen Standort zusammengeführt. In die Sammlung gelangt, war es schließlich notwendig, die historischen Kinder- und Jugendbücher systematisch zu ordnen und zu dokumentieren. Zu den Zuwächsen zählen oftmals auch ganze Konvolute von Büchern, deren Schwerpunkte bereits klar definiert sind und deren Erhalt als Einzelsammlung durchaus lohnend ist. Ein Beispiel für einen solchen Schwerpunkt ist die Rotkäppchen Sammlung des Sammlerehepaares Elisabeth und Richard Waldmann, die über 800 Exemplare umfasst und heute im Bilderbuchmuseum auf der Burg Wissem in Troisdorf zugänglich ist. Es ist auch in Zukunft möglich, die Rotkäppchen-Sammlung durch Werke zu ergänzen und die wissenschaftliche Erforschung dieses Themengebiets zu voranzutreiben.
Die genannten Sammlungen historischer Kinderbücher sind allesamt von immensem Umfang: Während sich in der Sammlung der TU Braunschweig rund 28.000 Exponate befinden, sind es in der Staatsbibliothek Berlin und in der Universitätsbibliothek Frankfurt je rund 200.000.
Es kommt vor, dass sich Exponate in den unterschiedlichen Sammlungen doppeln. Anders als vermutet, handelt es sich oftmals nur auf den ersten Blick um die gleichen Exemplare, wie es auch unsere Ausstellung verdeutlicht:
Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass einige der vorgestellten Bücher aus der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf durch Leihgaben anderer Institutionen um einzelne Bildtafeln ergänzt wurden, die in den von uns verwendeten Exemplaren fehlten. Ein Beispiel ist der Orbis Pictus von Heinrich Grünewald aus dem Jahr 1841. Das Lern- und Unterhaltungsbuch für die wißbegierige Jugend findet sich neben der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf auch in der Staatsbibliothek Berlin. Schon das Erscheinungsbild lässt einen großen Unterschied erkennen: Während in dem Exemplar der Düsseldorfer Sammlung zuerst ein Bildteil mit darauffolgendem Textteil abgedruckt ist, wechseln sich in dem in Berlin aufbewahrten Exemplar Bild und Text ab. Markant sind zudem gänzlich fehlende Bildtafeln. Die Fehlstellen sind, an jeweils unterschiedlichen Stellen, in beiden Büchern zu finden, fallen jedoch erst durch einen direkten Vergleich auf.
So fehlen dem Exemplar aus Düsseldorf die Darstellungen der vier Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter, welche Exemplar aus Berlin auf den Seiten 24 und 25 abgebildet sind – sind sind als digitale Leihgaben in unserer Ausstellung zu sehen.
Somit ermöglicht die Sammlungsarbeit eine nahezu vollständige Erforschung einzelner Werke.
Links zur Lektüre
– Deutscher Museumsbund: Museumsaufgaben, online, 6.3.2017.
– Deutscher Museumsbund: Nachhaltiges Sammeln – Ein Leitfaden zum Sammeln und Abgeben von Museumsgut, Berlin / Leipzig 2011.
– ICOM Schweiz [Hrsg.]: Ethische Richtlinien für Museen von ICOM, Überarb. 2. Aufl. der dt. Version, Zürich 2010.
– Deutscher Museumsbund / ICOM: Standards für Museen, Berlin / Kassel 2006.
Titelbild aus: Heinrich Grünwald / Johann Baptist Sonderland, Orbis Pictus, Düsseldorf 1841 © Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
Vom 28.6. bis zum 31.12.2021 konntet ihr unsere Ausstellung Kunst für Kinder. Illustrationen aus dem Umfeld der Kunstakademien in Düsseldorf und Dresden online betrachten – und hören! Bis Dezember 2021 veröffentlichten wir mit Hilfe der Bürgeruniversität das digitale Begleitprogramm mit Bildern, Blogeinträgen und Podcasts zur Ausstellungsentstehung und einzelnen Themenbereichen.
Kontakt kunstfuerkinder@hhu.de