von Lina Janßen, Jonas Wiemann, Lena Marie Aschkowski, Lotta Vieweg und Laura Gnida
Morgens klingelt der Handywecker, beim Frühstück liest man online die neusten Nachrichten und startet dann in der Bahn den Lieblings-Podcast. Als nächstes: Videokonferenz auf der Arbeit und abends Essen mit Freunden, welches natürlich auf Instagram gepostet wird.
Digitalität als Kulturelle Bedingung
Es gibt ein Phänomen, das uns den ganzen Tag über begleitet: Digitalität. Digitalität schafft die Rahmenbedingung für die Kommunikation und Interaktion mit anderen Menschen und für die Gestaltung der Gesellschaft. Die Anwesenheit von Digitalität in all unseren Lebensbereichen verändert damit auch unsere Weltwahrnehmung. Digitalität ist heute nicht mehr nur der einfache Gebrauch des eigenen Laptops oder Smartphones, sondern vielmehr eine kulturelle Bedingung, die die neue Ordnung der Welt angibt. Doch was genau bedeutet eine ‚kulturelle Bedingung‘? Dieser Frage werden wir hier auf den Grund gehen und Digitalität aus der Perspektive von Felix Stalder von der Hochschule der Künste in Zürich skizzieren. Kultur bezeichnet in diesem Zusammenhang die Prozesse der Verhandlung von sozialer Bedeutung. Wie einigt sich eine Gruppe auf einen gewissen Konsens bei Werte- und Deutungsfragen? Und was für eine neue Wertsetzung ist in unserer digitalen Welt notwendig?
Zusammenhang von Digitalisierung und Digitalität
Die Entwicklung der Digitalität lässt sich wie folgt beschreiben: Die zunehmende Digitalisierung ermöglichte immer mehr Menschen politische und gesellschaftliche Partizipation. Die dafür notwendigen Arbeitsprozesse erforderten keine räumliche Anwesenheit mehr. Durch die größere Reichweite der Medien und ihrem breiten Themenspektrum, wurden Themen enttabuisiert und Meinungsstreits für jedermann sichtbar. Durch die Globalisierung und die neue Multikulturalität kamen Fragen zum neuen Wertesystem des Zusammenlebens auf. Die Orientierung in der Welt hat sich verändert und es entwickeln sich weitere Fragen nach der Art des Zusammenlebens, insbesondere dadurch, dass immer mehr Themen und Standpunkte in die Diskussion miteinbezogen werden. Die Verhandlungen über unsere Lebensweise wurden zunehmend in technologische Geräte eingebettet.
Das Internet als Basis für Meinungsbildung
Das Internet spielt dabei eine große Rolle und stellt die Basis der neuen Meinungsbildung dar. Etablierte Meinungsinstitute können die Menge an produzierten Daten, also die Vielzahl an Themenfeldern, Fragen und Meinungen der Menschen weltweit nicht mehr umfassend in ihr Programm aufnehmen. Zeitungen beispielsweise verfügen nur über einen begrenzten Platz, weshalb Themen selektiert werden müssen. Ganz im Gegensatz zum Internet. Durch den unendlichen Platz für Inhalte können alle Themen und Meinungen repräsentiert werden. Nur wie gehen wir damit um? Beeinflussen wir selbst was wir bei einer Ergebnissuche finden?
Wir alle schaffen Kultur im digitalen Raum
Es lässt sich festhalten: Kultur wird heute von mehr Menschen, auf mehr Feldern, mit mehr Technologien gemacht als je zuvor. Kultur ist offensichtlich massentauglicher geworden, wodurch sich so viel digitales Material ergibt, dass es nicht mehr zu überblicken ist. Menschen können heutzutage nicht mehr nur empfangen, wie etwa vor 50 Jahren, als nur Radio, Fernsehen und die Zeitung als Massenmedien zur Verfügung standen, sondern auch senden. Zum Beispiel indem sie einen Blog schreiben, einen Beitrag in den sozialen Medien posten oder ein YouTube Video hochladen. An YouTube lässt sich die Menge des vorhandenen digitalen Materials veranschaulichen: Bereits im Jahr 2015 Jahren wurden pro Minute 400 Stunden (!) an Videomaterial auf der Videoplattform hochgeladen. Mit der Menge, die sich dadurch pro Tag ergibt, könnte man bereits länger als ein Jahr lang den ganzen Tag nichts anderes machen als YouTube Videos schauen. Und seit 2015 sind noch viele weitere Videos hinzugekommen. Aus dieser Fülle an Informationen müssen wir auswählen und zwischen Wichtigem und Unwichtigem unterscheiden.
Auswählen und Bewerten als zentrale Kompetenzen
Es geht also um Selektion. Diese Selektion nehmen wir beispielsweise in den sozialen Medien vor. Wir bahnen uns unseren eigenen Weg durch die Unübersichtlichkeit und schaffen unsere eigene soziale ‚Bubble‘ mit den Themen, Dingen und Werten, die uns ansprechen. Wir produzieren mit unserer Auswahl einen eigenen sozialen Horizont. Professor Stalder spricht dabei auch vom Auswählen als dem neuen Produzieren.
Wenn wir also beispielsweise wissen wollen, wie wir eine Bank für unseren Balkon selbst bauen können, müssen wir dies nicht mühsam selbst erarbeiten und austüfteln. Wir müssen lediglich eine Auswahl aus den über 6 Millionen Suchergebnissen treffen, die uns vorgeschlagen werden, wenn wir „Bank für Balkon selbst bauen“ ins Google-Suchfeld tippen. In diesem Fall orientieren wir uns also, indem wir Auswählen und unseren eigenen sozialen Horizont schaffen.
Gemeinschaftlichkeit, Referenzialität und Algorithmizität
Insgesamt lassen sich nach Stalder drei Muster der Orientierung erkennen: Gemeinschaftlichkeit, Referenzialität und Algorithmizität. Auf den ersten Blick handelt es sich um drei sehr abstrakte Begriffe, mit denen man vielleicht zunächst nichts anfangen kann. Ein Annäherungsversuch an diese drei Phänomene könnte folgendermaßen lauten: In einer durch Algorithmen vorsortierten Welt nehmen wir gemeinschaftlich immer und ständig Bezug aufeinander und auf unsere Welt. Am Beispiel dieses Beitrags könnte das sein: Ich schreibe mit anderen Studierenden gemeinschaftlich einen Blogbeitrag, welcher sich auf einen Vortrag von Professor Stalder bezieht. Dieser wird dann in den Sozialen Medien geteilt und der Algorithmus bestimmt nach dem Posten, wer und wie viele diesen Beitrag sehen.
In welchem Verhältnis diese drei Konzepte stehen und ob sie alle nebeneinander gleichberechtigt existieren oder ob der Algorithmus die Gemeinschaftlichkeit und die Referenzialität mittlerweile überlagert, liefert sicherlich neues Forschungspotenzial. Es bleibt also spannend. Wie schätzt Du dieses Verhältnis ein? Haben Algorithmen eventuell zu viel Einfluss auf unsere digitale Welt oder sind sie einfach nur praktische Helferlein bei einer unübersichtlichen Menge an Informationen? Und wie betrifft Dich die Digitalität als kulturelle Bedingung? Wäre ein Leben ohne unsere digitalen Tools noch vorstellbar und möglich? Lass uns Deine Meinung gerne als Kommentar hier und teile diesen Blogbeitrag über Social Media, wenn er Dir gefällt! Direkt mal das neue Wissen anwenden. Stichwort: Gemeinschaftlichkeit, Referentialität und Algorithmizität! 😉
Quelle:
Prof. Dr. Felix Stalder: «Kultur der Digitalität». Available: https://www.youtube.com/watch?v=fwk3xVAiG9