von Hannah Czeschik, Vanessa Fricke, Zijin Zhang und Lina Maria Gobbelé
Es ist wieder soweit, eine Präsentation steht an. Jetzt gibt es vieles zu planen und zu berücksichtigen. Vielleicht kennt ihr ja den Satz: “Bitte nutzt Wikipedia nicht als Quelle für Eure Vorträge!”. Dies mag wohl damit zusammenhängen, dass Wikipedia zu den digital commons gehört. Aber was heißt das eigentlich?
Was sind eigentlich digital commons?
Das Wort “common” stammt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie: normal, einfach, gemeinsam. Daher liegt es nah, dass digital commons etwas mit der Gesellschaft zu tun haben. Am ehesten könnte man es wohl mit dem Begriff “Gemeingüter” bezeichnen. Doch was genau hat es nun damit auf sich?
Digital commons beschreiben das gemeinsame Eigentum von Informationsressourcen und -technologien sowie die Verteilung dieser. Klingt erstmal kompliziert, ist aber recht simpel. Es geht darum, von anderen Menschen bereitgestellte Informationen und Güter auf digitalem Wege einfach zugänglich zu machen. Und das nicht nur für die Verwalter oder Ersteller dieser Informationen selbst, sondern auch für Dritte, praktisch jeden. Hierbei kann es sich um wissenschaftliche Beiträge, öffentliche Werke von Museen oder Wikis handeln, es gibt sogar öffentliche Software! Wichtiges Kriterium dabei ist: Der Zugang zu diesen ist für dich nicht mit Kosten oder Zugangsbarrieren verbunden ist.
Aber ist das nicht das Gleiche wie digitale Ressourcen oder Güter allgemein?
Der Unterschied zwischen digital commons und anderen digitalen Ressourcen besteht darin, dass die Gemeinschaft der Menschen, die sie aufbauen, in die Steuerung ihrer Interaktionsprozesse und ihrer gemeinsamen Ressourcen eingreifen können. D.h. jeder kann die digital commons bearbeiten und anpassen ohne besondere Qualifikationen zu haben. Ein gängiges Beispiel sind hier die Einträge bei Wikipedia, die alle frei bearbeiten werden können. Das heißt: Es gibt nur eine eingeschränkte Qualitätskontrolle der Beiträge. Und genau deshalb eignet sich Wikipedia nicht für dein Referat! Es wird deutlich, dass digital commons auch eine Schattenseite haben können.
Mögliche Gefahren und Probleme
Digitale Gemeingüter brauchen, wie materielle Gemeingüter auch, konstante Pflege. Wenn wir uns das Beispiel Wikipedia ansehen, lassen sich schnell Probleme mit der Nutzung dieser Plattform feststellen. Dadurch, dass sich die Beiträge einfach bearbeiten lassen, besteht immer die Gefahr von Manipulation der Information. So können Falschinformationen weit und schnell verbreitet werden. Des Weiteren, leidet ggf. die Qualität der Beiträge, da sie schwer verständlich oder gänzlich falsch geschrieben werden könnten. Im schlimmsten Fall, können Beiträge auch vollständig gelöscht werden. Zwar gibt es keine wirkliche Konkurrenz mit anderen Gütern, da diese in der Regel Geld verlangen und die digital commons frei zugänglich sind. Allerdings werden deswegen möglicherweise zu wenige Informationen in einem Themengebiet durch digital commons zur Verfügung gestellt: es kommt zur Unterversorgung. Es bestehen allerdings Spannungen zwischen dem Beitrag zu den commons und der abnehmenden Vergütung für Produzent*innen durch die Produktion dieser Güter. Um diesen und anderen Problemen vorzubeugen, gibt es vier Bereiche, die beachtet werden müssen und auf die wir nun genauer eingehen werden.
Die vier Dimensionen der digital commons
Recht und Lizenzierung
Wenn man etwas veröffentlichen möchte, braucht man bestimmte Befugnisse dazu, oftmals in Form von Lizenzen. Die Urheber:innen von den Inhalten der digital commons können die Art der Lizenzen wählen, die sie nutzen wollen (z.B. Copyleft- und Creative Commons-Lizenzen). Meist werden Creative-Commons-Lizenzen verwendet, um das Werk auf nicht-kommerzielle Nutzung zu beschränken.
Copyleft-Lizenzen:
Die Nutzer:innen verpflichten sich dazu, alle abgeleiteten Werke unter die gleiche Lizenz zu stellen, um die Freiheiten für nachfolgende Nutzer:innen zu wahren.
Creative Commons:
Creative Commons (CC) ist eine Non-Profit-Organisation, die viele kostenlose Copyright-Lizenzen anbietet, durch die Beteiligte ihre Werke lizenzieren können. Creative Commons fokussieren sich auf den Ausbau des flexiblen Urheberrechts. Sie bieten beliebte Bild-Sharing-Websites wie Flickr und Pixabay, und damit den Zugriff auf von Creative Commons lizenzierte Bilder.
Urheberschaft
Hand in Hand mit dem Problem der Lizenzierung, geht die Herausforderung in Verbindung mit der Urheberschaft. Seit den späten 1960er Jahren wird das Alleinrecht auf ein individuelles Urheberrecht hinterfragt. Die digital commons entfernen sich von Standardvorstellungen, die vom Individuum ausgehen und wenden sich dem “vernetzten Individualismus” (Douglas de Rosnay & Stader, 2020, S. 10) zu, der als ein Gleichgewicht zwischen individueller Leistung und kollektiver Befähigung verstanden wird. Somit ist auch die Urheberschaft als kollektiv zu verstehen.
Neue Modelle der Produktion
In „Tragedy of the Commons“ behauptete Hardin (1968), dass Ressourcen, die nicht als privates (oder staatliches) Eigentum verwaltet werden, der Übernutzung durch individuelle, gewinnmaximierende Wirtschaftsakteure unterliegen. Ostrom (1990) hat diese Vorstellung erfolgreich widerlegt, indem sie zeigte, dass commons als wirtschaftliche Institutionen erfolgreiche, langfristige Alternativen sowohl zu markt- als auch zu staatsorientierten Ansätzen der (Re-)Produktion von Ressourcen darstellen. Da diese Institutionen aus lokaler Selbstorganisation hervorgehen, ist ihre Variabilität hoch. Hardin (1994) räumte schließlich ein, dass die Tragödie der commons nur für „unmanaged commons“ gilt, womit er einfache frei zugängliche Ressourcen ohne Nutzungsbeschränkungen meint. Natürlich sind solche Ressourcen keine Gemeingüter, denn es ist die gemeinsame Verwaltung, die eine Ressource zu einem Gemeingut macht. Aus denselben Gründen unterscheiden sich öffentliche Güter von Gemeingütern, die nicht ausschließbar und nicht rivalisierend sind. Deshalb wird es häufig als Aufgabe des Staates angesehen diese Ressourcen bereitzustellen.
Ein neues Modell der commons sind die commons-based peer production: „Ihr zentrales Merkmal besteht darin, dass Gruppen von Individuen erfolgreich an groß angelegten Projekten arbeiten, die einem vielfältigen Bündel von motivierenden Antrieben und sozialen Signalen folgen, anstatt Marktpreisen oder Managementbefehlen“ (Benkler 2002, S. 369).
Für die meisten Ökonomen ist das Verhältnis zwischen gemeinwohlorientierter und marktorientierter Produktion im Mittelpunkt, da viele kommerzielle Unternehmen sowohl zu den digitalen Gemeingütern beitragen und Common Pool Resources in ihren kommerziellen Strategien nutzen. Das Ziel ist die Entwicklung „offener Strategien“, die commons-basierte Produktion und verschiedene Arten von crowd-basierten Beiträgen in die Unternehmensführung zu integrieren. Ohne starke Ansätze zur Regelung der Aneignung der digital commons ist es jedoch nicht sicher, ob große Unternehmen, die davon profitieren, auch einen Beitrag leisten. Die Sharing Economy arbeitet zwar anfänglich auch mit Begriffen des nicht-marktlichen Austausches, hat mittlerweile jedoch jeglichen Bezug zu den Gemeingütern verloren.
Verwaltung digitaler Gemeingüter
Die Herausforderung für die digitalen Gemeingüter besteht nicht in der Erschöpfung der endlichen Ressourcen, sondern darin, die Verfügbarkeit der digitalen Ressourcen für alle zu gewährleisten und ihre exklusive Aneignung zu vermeiden.
Die Verwaltung von Open-Source-Software als Gemeingut umfasst auch die Festlegung rechtlicher Beschränkungen. Gemeinschaften können Richtlinien und Verfahren entwickeln, um die Informationsqualität zu schützen, wie im Fall der Wikimedia-Gemeinschaft, die gegen Desinformation vorgeht. Gemeinschaften sind jedoch keine juristischen Personen, selbst wenn sie explizite Grenzen haben. Um diese Einschränkung zu überwinden, haben viele digitale Gemeingüter ihre eigenen Stiftungen als „Grenzorganisationen“. Diese sind in der Lage rechtliche, finanzielle, technologische und Governance-Dienste zu erbringen, die die Gemeinschaft selbst nicht leisten kann. Stiftungen spielen eine wichtige Rolle bei der Steuerung der commons, was häufig zu einer expliziten Arbeitsteilung zwischen Freiwilligen der Gemeinschaft und Stiftungsmitarbeitern führt. Heute werden die meisten großen digitalen Gemeingüter von einer hybriden Struktur aus Gemeinschaft und Stiftung verwaltet. Neben den Aktivitäten der Pflege, des Aufbaus von Gemeinschaften, der Kommunikation und der Governance kann die Überwachung der Einhaltung der gemeinsamen Governance-Regeln, ähnlich wie bei materiellen commons, in Rollen der Qualitätskontrolle, der Rechenschaftspflicht, der Moderation oder der Edition übergehen.
Seit dem Jahr 2000 kämpfen die Befürworter des Zugangs zu Wissen, die mit den Befürwortern der digital commons verbunden sind, für eine Regulierung und soziale Institutionen, die ein Gleichgewicht zwischen privaten und öffentlichen Interessen herstellen und die digital commons erhalten und erweitern.
Woher kam die Idee?
Eines der ersten Beispiele für digital commons ist die Freie-Software-Bewegung der 1980er Jahre, die von Richard Stallman gegründet wurde, um commons für die digitale Software zu schaffen. Stallman, der inspiriert von der Programmier-Kultur der 1970er war, die darauf abzielte Software durch gegenseitige Hilfe zu verbessern, gründete diese Bewegung um die Nutzung und Verbreitung von freier Software zu fördern. Um Missbrauch von jener Software entgegenzuwirken, gründete er die GPL (General Public License). Diese besagt, dass freie Software, die unter dieser Lizenz veröffentlicht wird, ebenfalls unter derselben Lizenz freigegeben werden muss, selbst wenn Veränderungen vorgenommen wurden. Er legte so nicht nur die Grundidee für digital commons, sondern auch für die Copyleft-Lizenzen.
Segen oder Fluch für die Zukunft?
Heutzutage ist das größte digitale Gemeingut das Internet. Mit dem Internet gibt es viele neue Möglichkeiten Informationen und Software zu teilen, die wiederum das Wachstum der digitalen Gemeingüter fördern. Menschen und Organisationen können ihre Software, Fotos, allgemeine Informationen und Ideen dank der digital commons sehr einfach teilen, und das ist nur die Spitze des Eisbergs. In der Corona-Zeit haben digital commons einen großen Beitrag zur digitalen Bildung beigetragen. Dennoch ist es fast unvorstellbar was für Möglichkeiten aber auch Probleme das Internet in Zukunft mit sich bringen wird. Wer weiß, vielleicht hast du Vermutungen?
Fest steht, dass digital commons nicht alleine erfolgreich sein können. Sie beruhen auf gesellschaftlichen Beiträgen, die nicht immer die höchste Qualität haben, aber eine Alternative zum Überwachungskapitalismus oder der digitalen Kolonialisierung bieten. Daher lässt sich final nicht sagen, ob digital commons ein Segen oder ein Fluch für die Zukunft sind.
Uns würde interessieren was ihr zum Thema digital commons zu sagen habt. Lasst uns doch gerne einen Kommentar mit eurer Meinung da!
Quelle:
Dulong de Rosnay, M. & Stalder, F. (2020). Digital commons. Internet Policy Review, 9(4)