von Yelyzaveta Khomenko, Leonie Panusch, Jessica Schäfers und Kyrylo Silin
Fehlende Atemmasken, nicht genug Material für Tests auf den Erreger SARS-CoV2 und niemand wusste so richtig, wie sich das Virus überhaupt verbreitet. Der Beginn der weltweiten Corona-Pandemie war gekennzeichnet durch Unsicherheit und den Mangel an notwendigem Equipment. Umso wichtiger war es schon zu diesem Zeitpunkt, das Wissen über das Virus zu verbreiten und möglichst schnell über die Gefahren und Möglichkeiten zur Eindämmung aufzuklären.
Um Aufklärung betreiben zu können, braucht es aber erst einmal den Zugang zu Informationen. Und das ist auch in einer akuten weltweiten Krise gar nicht so einfach. Oder wüsstest Du spontan, wo du nachsehen kannst, wer gerade wie an dem Virus forscht? Und welche Publikationen dazu, wo und wie abrufbar sind? In diesem Artikel wollen wir heute zeigen, wie Open Access dabei helfen kann, ein grundlegendes Verständnis unserer aktuellen Situation zu vermitteln und die Erforschung und Produktion notwendiger Medikamente und Materialien voranzutreiben.
Aber eins nach dem anderen. Was ist denn überhaupt Open Access? Open Access ist eine Bewegung, die das Ziel hat, wissenschaftliche Literatur und wissenschaftliche Materialien für alle Nutzer*innen frei zugänglich zu machen. Das bedeutet, die Interessent*innen sollen die Texte kostenfrei und möglichst frei von technischen und rechtlichen Barrieren nutzen können. Das bezieht sich auf das Lesen, Herunterladen, Kopieren, Verteilen, Drucken, Zitieren und sonstige Verwerten der Texte.
Dass Open Access gerade in Krisenzeiten besonders wichtig ist, hat sich schon 2014/2015 während der Ebola-Epidemie in Westafrika gezeigt. Die WHO (Welt-Gesundheits-Organisation), organisierte damals ein Treffen verschiedener Forscher*innen, Vertreter*innen der Regierungen und vieler weiterer Beteiligter. Alle Teilnehmer*innen des Treffens waren sich damals schon einig, dass Forschungsergebnisse in Krisensituationen so schnell wie möglich für alle verfügbar gemacht werden sollten. Ein großer Teil der Erkenntnisse aus der Ebola-Forschung wurde daraufhin via Open Access, also unter offenem Zugang, zur Verfügung gestellt. Durch den leichten und schnellen Austausch zwischen den Forscher*innen konnte so die Epidemie maßgeblich positiv beeinflusst werden.
Aktuell befinden wir uns in einer Krisensituation, die in einigen wichtigen Eigenschaften mit der Ebola-Epidemie 2014 vergleichbar ist. Deshalb können wir aus der Ebola-Epidemie lernen und vieles, was vor 5 Jahren funktioniert hat, auch für Corona anwenden. Wir wissen, wie wichtig es ist, sofortige Maßnahmen zu ergreifen, wenn wir die Corona-Pandemie stoppen wollen. Deshalb sollten wir alle Möglichkeiten, die wir haben, nutzen, um Technologien und Therapiemaßnahmen zu entwickeln und diese gegen das Corona-Virus einzusetzen. Informationen, die wir bereits gesammelt haben, über Open Access zu verbreiten, ist eine von diesen Möglichkeiten. Durch Open Access können wir Forschungsergebnisse schnell und weltweit zugänglich machen. So werden in verschiedenen Bereichen Forschungsprozesse beschleunigt, die zur Eindämmung und Bekämpfung der Pandemie beitragen können.
Und tatsächlich gab es in kürzester Zeit verschiedene Ansätze, die Corona-Forschung über Open-Access-Wege zu verbreiten. Unter anderem wurde auf der Informationsplattform ´Open Access´ ein nationaler Open-Access-Kontaktpunkt eingerichtet, über den Open-Access-Forschung zum Corona-Virus auffindbar gemacht wird. Das Open-Access-Büro Berlin hat eine Sammlung von Artikeln und Blogposts zur Bedeutung von Open Access und Open Science in Zeiten von Corona angelegt. Außerdem haben mehrere weltweit aktive Unternehmen, Universitäten und Initiativen am 07. April 2020 den Open COVID Pledge veröffentlicht. Sie verpflichten sich damit, durch eine sogenannte Open COVID License, zur Freigabe von geistigem Eigentum für die Zeit der Pandemie. Die Initiative möchte dadurch insbesondere technische Verfahren in Laboren und die Herstellung von Schutzausrüstungen schnell weltweit möglich machen.
Schauen wir mal genauer hin: Gibt es denn durch Open Access geförderte Entwicklungen, die tatsächlich zur Bewältigung der Corona-Krise beitragen? Insbesondere Informationen zum besseren Verständnis des Virus und zur Entwicklung von Schutzmaßnahmen wurden bislang über Open Access verbreitet. Fujitsu hat beispielsweise eine Computersoftware entwickelt, mit der Informationen aus Patient*innenakten gespeichert werden. So wird dem medizinischen Personal geholfen und die Behandlung und Diagnose von Corona-Patient*innen beschleunigt. Um die Ausbreitung und öffentliche Bedenken bezüglich des Virus messen zu können, hat Microsoft anonymisierte Suchdaten in Bezug zu COVID-19 zur Verfügung gestellt. Ein anderes spannendes Projekt kommt von der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA. Diese hat Druckvorlagen für verschiedene Atemschutzmasken entwickelt, welche mit 3D-Druckern produziert werden können. Eine Gruppe Physiker*innen vom New Jersey Institute of Technology verwendete den 3D-Drucker, um Testtupfer zu produzieren. So reagierten sie auf den Mangel an Möglichkeiten, Patient*innen auf den Erreger zu testen. Die Tupfer sind kostengünstig und schnell an 3D-Druckern produzierbar. Die Druckvorlage haben sie, ebenso wie die NASA, Open Access zur Verfügung gestellt.
Open Access hilft so nicht nur Forscher*innen, die aktuelle Situation zu verbessern, sondern auch dem Gesundheitspersonal bei der Behandlung und Diagnose der Erkrankten. So erfreulich die Entwicklung im Open-Access-Bereich erstmal zu sein scheint, muss manallerdings leider auch sagen, dass es sich bei den meisten dieser Veröffentlichungen nur um vorübergehende Open-Access-Lizenzen handelt, die nicht immer komplett ungehindert und oft nur temporär zugänglich sind. Von vielen Open-Access-Befürworter*innen wird kritisiert, dass es sich also gar nicht um einen richtig offenen Zugang, im Sinne von Open Access, handelt. Allerdings zeigt die Corona-Krise auch, wie wichtig Open-Access generell für die Wissenschaft ist. Der ungehinderte Zugang zu wissenschaftlichen Informationen ist für das Voranschreiten der Forschung notwendig. Deshalb könnte die aktuelle Situation auch ein guter Anlass sein, Open Access und auch den offenen Zugang zu Forschung für die Wissenschaftskommunikation weiter zu stärken und zu verbreiten.
Literatur:
https://serwiss.bib.hs-hannover.de/frontdoor/deliver/index/docId/1456/file/BA-OpenAccess.pdf