Was mit Schüler*innen begann, interessiert jetzt alle: Wer wirklich bei Fridays for Future mitmacht

von Clara Boddenberg, Viktor Burgi, Patricia Fried, Anna Holthaus und Nele Pälmke

„Hach, schön, dass sich so viele engagieren“. Der Zusammenschluss von Jung und Alt wird einem bewusst, wenn man im Café seines Vertrauens auf eine alte Dame trifft, die soeben von einer Klimademo kommt. Dabei trinkt sie ihren Mandelmilch-Cappuccino und erzählt voller Begeisterung von Fridays for Future.

Daraufhin wurden wir neugierig und fragten uns, ob wirklich nur Schüler*innen ein so großes Interesse an der Erhaltung unserer Erde und der Verhinderung des Klimawandels haben. Dabei interessierte uns nicht nur das Alter der Mitglieder von Fridays for Future, sondern auch, ob es mehr Männer oder Frauen in der Bewegung gibt. Aus welchen sozialen Schichten kommen sie? Wöchentlich marschieren Tausende lautstark durch Deutschlands Städte (zumindest vor Corona) oder versehen das Internet mit entsprechenden Hashtags. In den Medien und in Tageszeitungen ist es die Jugend. Doch wie zutreffend ist diese Annahme?

Unser subjektiver Eindruck einer sozialen Bewegung und das, was über Medien vermittelt wird, können täuschen. An dieser Stelle kommt die Wissenschaftskommunikation ins Spiel: In Zeiten einer aufgeregten Debatte kann sie einen wichtigen Beitrag zu einem sachlichen und differenzierten Diskurs leisten. Denn relevante Aspekte der Bewegung Fridays for Future sind bereits sozialwissenschaftlich erforscht, auch wenn diese Forschungsergebnisse oft nicht an eine breite Öffentlichkeit gelangen. Wir wollen euch hier einige der Erkenntnisse vorstellen und in diesem Sinne zur Wissenschaftskommunikation beitragen. Kurz vorher geben wir einen kleinen Einblick, wie Greta Thunberg ihren zunächst kleinen Schneeball immer größer werden ließ und was die Zukunft für Fridays for Future bereithält.

Wie alles begann

Wahrscheinlich wissen die meisten noch, wie das Mädchen vor dem Parlament in Stockholm sitzt und für den Klimaschutz demonstriert. Zu dem Zeitpunkt hätte Greta eigentlich im Unterricht sitzen sollen. Niemand ahnte, was sie (fast) im Alleingang auslösen würde. Von da an protestierte Deutschland und gefühlt die halbe globale Bevölkerung für besseren Klimaschutz. Und auch faktisch ist dies zu sehen: Mittlerweile gibt es Fridays for Future in über 120 Ländern. Übrigens: Der erste deutsche Klimastreik fand am 07. Dezember 2018 in Bad Segeberg statt.

Greta Thunberg vor dem schwedischen Parlament, 2018 Foto: Anders Hellberg, Greta Thunberg 4, CC BY-SA 4.0

Wer demonstriert bei Fridays for Future?

Nun stellen wir uns die Frage: Wie sieht die Bewegung heute aus? Wer ist eigentlich bei Fridays for Future dabei? Wie bereits beschrieben, schauen wir uns dazu wissenschaftliche Erhebungen zu den Protesten an. Dabei können wir feststellen, dass die Mehrheit der Mitlaufenden im März 2019 noch aus Schüler*innen und Studierenden bestand. Insgesamt waren 52 % zwischen 14 und 19 Jahre alt. Im September 2019 lag der Anteil der 14- bis 19-Jährigen nur noch bei 22% – also ganze 30 Prozentpunkte weniger als im März 2019. Dafür war der größte Teil der Demonstrierenden nun zwischen 20 und 35 Jahren. Wir erkennen hier also gut, dass sich die einstige „Schülerbewegung“ zu einer gesamtgesellschaftlichen Bewegung entwickelt hat, zu der auch Menschen älterer Jahrgänge einen Zugang finden konnten.

Eine ähnliche Entwicklung wie beim Alter zeigt die Studie auch bei der Geschlechterverteilung. Die Basis der Bewegung verbreiterte sich, die männliche Partizipation erhöhte sich. Im März 2019 hielten Forscher*innen in Berlin und Bremen im Schnitt einen Frauenanteil von 60% fest. Im September 2019 waren die Geschlechter dann gleichverteilt. Sozialwissenschaftler*innen, die die Bewegung untersucht haben, begründen dies so: Gerade in der Anfangszeit war Fridays for Future eine sehr junge Bewegung. Unter ihren Teilnehmer*innen gab es deutlich mehr Frauen als Männer. Im Laufe des Jahres 2019 wurden jedoch immer mehr gesellschaftliche Gruppen Teil der Bewegung, so auch ältere Generationen. Unter diesen Älteren gab es dann keinen so starken Frauenüberschuss mehr. Fridays for Future ist also als stark von Frauen getragene Bewegung gestartet und hat sich dann einer ausgeglichenen Geschlechterverteilung angenähert. In der Forschung wird die hohe weibliche Präsenz auch als Einfluss von Greta Thunberg gewertet.

Foto: Henning Schlottmann (User:H-stt), Munich for Future 2019-07-21 6487, CC BY-SA 4.0

Neben Angaben zum Alter und der Geschlechterverteilung ergab sich außerdem, dass die Demonstrant*innen im Durchschnitt einen hohen Bildungsgrad haben. Zudem kommen sie aus der (oberen) Mittelschicht, es handelt sich also aktuell um einen exklusiven sozialstrukturellen Kreis. Wie die bisherige Entwicklung gezeigt hat, ist die Basis der Bewegung jedoch wandlungsfähig und somit auch offen für neue Mitglieder. Momentan wird die Möglichkeit zur Teilnahme allerdings nicht gleichermaßen von anderen sozialen Schichten wahrgenommen – die reale gesamtgesellschaftliche Partizipation in der Bewegung ist somit begrenzt.

Ein Blick ins Ausland zeigt uns beispielsweise, dass sich Fridays for Future 2019 auch in Uganda oder Brasilien gegründet hat. Das wiederum verweist darauf, dass sich die Basis der Bewegung auch international vergrößert hat. Denn Fridays for Future will ermöglichen, dass gemeinsam aktiv auf den Klimawandel aufmerksam gemacht wird. An der Veränderung der jetzigen Situation kann jede*r beteiligt sein und zur Wende in der Klimapolitik beitragen. Dadurch kann es in Zukunft zu einer grundlegenden Änderung in der individuellen Denkweise kommen.

Wie geht es weiter?

Nachdem wir euch einen Überblick über die Struktur der Bewegung gegeben haben, bleibt an dieser Stelle noch zu klären, wie es mit Fridays for Future weitergeht. Das Ergebnis einer Befragung zeigt, dass 90% der Deutschen die Durchführung weiterer Schulstreiks befürworten. Um Veränderungen bewirken zu können, fordert der Großteil der Befragten, dass sich die Bewegung stärker in bestehende politische Entscheidungsfelder einbringen sollte.

Ob es in naher Zukunft weitere Freitagsproteste geben wird, ist zurzeit unklar.

Auf dem Schild in der Bildmitte heißt es: “Wenn Anführer sich wie Kinder verhalten, werden die Kinder zu Anführern.”
Foto: Goran Horvat, pixabay.com

Denn aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus ist momentan nur eingeschränkt an Demonstrationen zu denken. Greta Thunberg fordert die Aktivist*innen auf, den globalen Klimastreik im Netz fortzuführen, ganz unter dem Motto: „Netzstreik fürs Klima“. Festzuhalten bleibt: Fridays for Future ist längst keine reine Schülerbewegung mehr. Jeder Mensch, der ein Herz für das Klima hat und sich engagieren möchte, kann teilnehmen. Und in Zeiten von Corona kann man seinen Mandelmilch-Cappuccino ja auch zuhause trinken und am digitalen „Netzstreik“ aktiv teilhaben – bis dann wieder alle auf der Straße demonstrieren dürfen.

P.S. Wir haben viele Infos aus dem offiziellen Blog der Organisation. Sollte euch dasThema gepackt haben, können wir diesen nur weiterempfehlen! (https://fridaysforfuture.de/neuigkeiten/)

Literatur

Fridays For Future (2020): Fridays For Future. URL: https://fridaysforfuture.org (10.05.2020).

Koos,  Sebastian  und  Franziska  Lauth  (2019):  Die  Entwicklung  und  Zukunft der „FridaysforFuture“-Bewegung. Forschungsbericht. Konstanz: Universität Konstanz.

Neuber, Michael und Beth G. Gardner (2020): Germany. In: Zamponi, Lorenzo, Ylä-Anttila, Tuomas, Vrablikova, Katerina, Teune, Simon, Svenberg, Sebastian, Stykket, Anna, Savolainen, Sonja, Rammelt, Henry, Portos, Martín, Oross, Daniel Olesen, Thomas, Mjøset, Lars, Mikecz, Dániel, Matthews, Ingrid, Neuber, Michael, Navrátil, Jiří, Lukianow, Malgorzata, Luhtakallio, Eeva, Lorenzini, Jasmine, Gravante, Tommaso. Protest for a future II: Composition, mobilization and motives of the participants in Fridays For Future climate protests on 20-27 September, 2019, in 19 cities around the world, S. 117-138.

Schirmer, Sofia, Constanze Kainz und Paul Blickle (2019): “Am Anfang saß ein Mädchen auf der Straße”. In: Zeit Campus. URL: https://www.zeit.de/campus/2019-08/greta-thunberg-klimaschutz-aktivistin-fridays-for-future (11.05.2020).

Schindler, Frederik und Franziska von Haaren (2020): Wie Fridays for Future gegen den Bedeutungsverlust kämpft. In: Welt.de. URL: https://www.welt.de/politik/deutschland/article207632707/Corona-Klimaschutz-Fridays-for-Future-kaempft-gegen-Bedeutungsverlust.html (27.05.2020).

Sommer, Moritz, Dieter Rucht, Sebastian Haunss und Sabrina Zajak (2019): FridaysforFuture. Profil, Entstehung und Perspektiven der Protestbewegung in Deutschland.ipbworkingpaperseries, 2/2019. Berlin: ipb.

k.N.  (k.  Datum):  “Die Fridays     for   Future   Bewegung”.   In:  Aktion   müllfrei.  URL: https://aktion-muellfrei.org/klimawandel/fridays-for-future/  (10.05.2020).

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