Verstaubt, vergilbt & gerissen… Der Erhalt historischer Bilderbücher – Restaurierung und Konservierung

von Clarissa Söhndel

Teil 3 unserer Reihe zur Sammlungsarbeit – denn nach der Ausstellung ist vor der Ausstellung!

Das Restaurieren und Konservieren sowie die Handhabung und Lagerung von Objekten gehören unter dem Aspekt des Bewahrens zu den Standards des (musealen) Sammelns. Kunst- und Kulturgut durch ausgewählte Maßnahmen und sachgerechten Umgang zu schützen und zu erhalten, gewährleistet den qualitativen Anspruch, dem sich die Museumsarbeit stellt. Der Deutsche Museumsbund definiert hierzu: „Objekte vor dem Verfall zu schützen und für kommende Generationen zu bewahren, gehört zu den primären Aufgaben des Museums.“

Alte Bücher haben Charme – mit ihrer bräunlichen Farbe und ihren eingeknickten Ecken sind sie Zeugen vergangener Zeiten. Doch handelt es sich hierbei um Kulturgut, sind markante Alterungserscheinungen nicht so erfreulich, wie vielleicht erwartet. Die Verantwortung von Sammlungen ist es nämlich, Zeugnisse der Vergangenheit und der Gegenwart auch für die Zukunft zu erhalten. Um das Bewahren von Kunstobjekten dauerhaft ermöglichen zu können, gilt es, den natürlichen Alterungsprozess von Materialien zu verlangsamen. Dies bedeutet konkret: Alterungsprozesse werden vorgebeugt oder so authentisch wie möglich restauriert. 

„Restaurieren“ kommt aus dem lateinischen und bedeutet wörtlich „den ursprünglichen Zustand wiederherstellen“. Kulturhistorisch wertvolle Objekte können jedoch bei einer Restaurierung nicht in ihren originalen Zustand versetzt werden, denn restaurieren bedeutet nicht rekonstruieren. Was jedoch in einem Ethik-Codex für Restaurator*innen festgeschrieben steht, ist, dass der Authentizität beim Erhalt historischer Zeugnisse größte Relevanz zukommt. Dementsprechend kann bei einer Restaurierung nur der dem Alter des Objekts entsprechende Zustand angestrebt und umgesetzt werden. 

Unsere Ausstellung Kunst für Kinder. Illustrationen aus dem Umfeld der Kunstakademien in Düsseldorf und Dresden zeigte illustrierte Bilderbücher aus dem 19. Jahrhundert. Wie lassen sich diese bis zu über 170 Jahre alten Bücher vor dem Verfall schützen und für die Zukunft erhalten? Der richtige Umgang ist hierbei die Grundvoraussetzung für eine lange Lebensdauer:

Mit Vorsicht, Expertise und Samthandschuhen – Umgang und Handhabung von historischen Bilderbüchern:

Um den aktuellen Zustand von Kunstobjekten zu erhalten oder sie jeglicher Gefahr einer Beschädigung zu entziehen, benötigt es die richtige Expertise. Die wenigsten Materialien sind für immer. Eine natürliche Alterung ist deshalb kaum zu stoppen. An dieser Stelle setzt die Arbeit der Restaurator*innen ein, welche sich um die Zustandserhaltung, -verbesserung und damit Verlängerung der Lebenszeit von Kulturgut kümmern. Deren fachgerechter Umgang mit Kunstwerken beinhaltet das gewissenhafte und sorgsame Vorgehen bei Transporten ebenso wie bei der angemessenen Verpackung, Lagerung und der eigentlichen Restaurierung. Dies geschieht stets auf Basis einer sorgfältigen Analyse des gegebenen Objekts. Die Spurensuche beginnt: Es wird analysiert, ob mehrere Einzelteile vorhanden sind, welche Materialien verwendet wurden, wie der aktuelle Zustand dieser ist und ob sie durch ihre Beschaffenheit besondere Beachtung benötigen. Bei einem so empfindlichen und anfälligen Material wie Papier, welches schnell zu Verfärbung oder Rissen neigt, gilt es, mit großer Vorsicht zu handeln. Fachgerechter Umgang beginnt also bereits dabei, Bücher oder einzelne Buchseiten nicht mit den bloßen Fingern anzufassen, um mögliche Verunreinigungen zu vermeiden.
–> Verantwortliches Handeln minimiert Risiken. 
Außerdem ist insbesondere bei der dauerhaften Lagerung von Büchern auf die Einhaltung einiger Gegebenheiten zu achten.

Vorbeugen ist besser als Heilen – die richtige Lagerung als konservatorische und sicherheitstechnische Präventionsmaßnahme:

Grundvoraussetzung für den Erhalt von Sammlungen in ihrem möglichst unversehrten Zustand ist die richtige Art und Weise der Lagerung und/oder Präsentation. Eine konstante Raumtemperatur (18-20°C), geringe Luftfeuchtigkeit (50-55%) und der Schutz vor starker Beleuchtung sind unverzichtbare Faktoren bei der Pflege und damit Konservierung von Papier. Ist das Kunstobjekt – in unserem Fall das Bilderbuch – im Depot, Archiv oder Ausstellungsraum unter diesen strengen Lagerungsbedingungen platziert, sollte der Zustand in regelmäßigen Abständen beobachtet und beispielsweise nach Schädlingen oder Veränderungen geprüft werden. Auch Aspekte wie der Einbruchs-, Brand- oder Wasserschutz, welche zu der allgemeinen Beschaffenheit des Aufbewahrungsortes zählen, dürfen bei der richtigen Lagerung nicht außer Acht gelassen werden. (Definiert sind diese speziellen Anforderungen an die Aufbewahrung von Archiv- und Bibliotheksgut in der international gültigen Norm DIN ISO 11799). 

Die konservatorischen und sicherheitstechnischen Maßnahmen dienen zur Stabilisierung des aktuellen Zustands und Verzögerung natürlicher Alterung bzw. externer Beschädigung. Das Vorbeugen von Umwelteinflüssen, die zur kontinuierlichen Veränderung des Materials führen könnten, ist eine Schlüsselaufgabe von Sammlungen. Beim Bewahren von Kunstobjekten wird also zu allererst versucht, Restaurierungsmaßnahmen hinauszuzögern und den aktuellen Zustand von Objekten zu erhalten, ohne am Kunstwerk selbst tätig zu werden. Hält man alle Richtlinien zur Handhabung, zum Umgang und zur Lagerung des entsprechenden Materials ein, minimiert man nicht nur die Risiken der schnellen Alterung, sondern gleichzeitig auch das Anfallen der aufwendigen und kostenintensiven Restaurierungsmaßnahmen.
–> Auch bei Kunstwerken gilt deshalb im übertragenen Sinne: Vorsorge ist die beste Medizin. 

Totalschaden? – Das 1 x 1 der Restaurierung:

Analysiert der Restaurator oder die Restauratorin erhebliche Veränderungen oder Schäden am Objekt, werden Maßnahmen der Restaurierung eingeleitet. Doch ab wann (welchem Status) wird diese Entscheidung getroffen und woran macht insbesondere bei der Papierrestaurierung fest, welche Maßnahmen zur zukunftsorientierten Erhaltung geeignet sind? Die Arbeit der Restaurator*innen bedeutet immer einen Eingriff in den Originalzustand zu vollziehen. Der Ethik-Codex der Restaurator*innen gibt vor, dass Restaurierungsmaßnahmen auf ein Minimum beschränkt und die Wahrnehmung, Wertschätzung und das Verständnis für ein Kunstwerk bei möglichst weitgehender Erhaltung der Originalsubstanz gewährleistet werden sollen. Dabei steht an oberster Stelle, dass das Werk nicht vollkommen erneuert, sondern vielmehr die Authentizität bewahrt wird. Mithilfe eines ausführlichen Restaurierungsberichts muss außerdem nachvollziehbar dokumentiert werden, welche Schritte eingeleitet wurden – meist wird so gearbeitet, dass die Restaurierungsmaßnahmen reversibel, also umkehrbar bleiben. Für die Buch- und Papierrestaurierung im Speziellen werden diese und weitere Grundsätze in den Blaubeurener Empfehlungen festgehalten.

Die drei häufigsten Schadensbilder und ausgewählte Methoden bei der Buch- und Papierrestaurierung:

Die am häufigsten an historischen Büchern und auf Papier vorkommenden Materialveränderungen sind Lichtschäden, Feuchtigkeit und mechanische Beschädigungen. Der erste Schritt einer Restaurierung ist meist die Trockenreinigung. Mithilfe dieser Oberflächenreinigung können Staub, Schmutz oder andere Ablagerungen schonend entfernt werden und damit leichte Verunreinigungen bereits behoben oder auf die weiteren Schritte vorbereitet werden.

  • Lichtschäden: Weisen Bücher ausgeblichene, vergilbte oder bräunlich verfärbte Stellen auf, handelt es sich meist um Lichtschäden. Sie verändern nicht nur die Farbigkeit colorierter Elemente, des Einbands oder der Papierseiten an sich, sondern lassen das Material oftmals auch porös werden. Unerwünschte Verfärbungen können häufig mit einer Reinigung und anschließendem Bad in chemischer Lösung (Bsp. Wasserstoffperoxidlösung) entfernt werden. 
  • Feuchtigkeit/Wasserschäden: Ein weiterer Feind von natürlichem Material wie Papier ist Feuchtigkeit. Bei gravierenderen Wasserschäden kann es zum Lösen und Verteilen von Farbe oder Aufquellen bzw. Deformieren des Materials kommen. Folgen davon reichen beispielsweise von Wasserrändern über festklebende Buchseiten bis hin zu der völligen Zerstörung des Papiers. Außerdem: Ist die Umgebungsluft, in der ein Buch einige Zeit gelagert wird zu feucht, entsteht Schimmelbefall, ein Zerfallsprozess, der das Papier fortschreitend zersetzt. Diese Schäden können nur gemildert oder vorgebeugt werden, indem man das Papier gründlich säubert und umgehend trocknet bzw. die trockene Lagerung gewährleistet. 
  • Mechanische Beschädigungen: Kommt es dazu, dass Buchseiten Ecken, Risse oder Fehlstellen aufweisen, können diese je nach Ausmaß entweder belassen oder aber ausgebessert bzw. geklebt werden. Bei Rissen hinterlegt man grundsätzlich das sogenannte Japanpapier von der Rückseite und löst durch den Einfluss von Wärme (per Bügeleisen) einen Klebstoff, der wiederum den Riss behebt. 

Fazit

Die wissenschaftliche, (kunst-)historische und auch gesamtgesellschaftliche Verantwortung, Kulturgut für die kommenden Generationen zu bewahren, steht im Grundsatz der Sammlungsarbeit. Durch konservatorische und sicherheitstechnische Maßnahmen als Rahmenbedingungen für die Lagerung von Kulturgut sowie den gewissenhaften Umgang bei Transporten oder aber schlussendlich auch die Entscheidung, Schritte der Restaurierung einzuleiten, kann die Langlebigkeit von Kunstobjekten garantiert werden. Dies ermöglicht uns, auch heutzutage noch die Bilderbücher der Vergangenheit zu bestaunen. Werfen Sie einen Blick in die Online-Ausstellung und gehen sie selbst auf Spurensuche! Könnt ihr Anzeichen des Alters unserer Bilderbücher erkennen? 

Titelbild aus: Heinrich Grünwald / Johann Baptist Sonderland, Orbis Pictus, Düsseldorf 1841 © Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf

Vom 28.6. bis zum 31.12.2021 konntet ihr unsere Ausstellung Kunst für Kinder. Illustrationen aus dem Umfeld der Kunstakademien in Düsseldorf und Dresden online betrachten – und hören! Bis Dezember 2021 veröffentlichten wir mit Hilfe der Bürgeruniversität das digitale Begleitprogramm mit Bildern, Blogeinträgen und Podcasts zur Ausstellungsentstehung und einzelnen Themenbereichen.

Kontakt kunstfuerkinder@hhu.de

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