Wir bringen Licht ins Dunkel – bei der Nacht der Wissenschaft

von Christine Stender M.A.

Wissenschaft zum Anfassen!
Am 9. September 2022 fand in Düsseldorf die vierte Nacht der Wissenschaft statt, bei der im Haus der Universität und auf dem Schadowplatz über wissenschaftliche Projekte und Entdeckungen berichtet wurde. Dass die Veranstaltung ein großer Erfolg war, zeigt nicht nur das viele positive Feedback, sondern auch die beeindruckende Besucher*innenzahl von über 10.000 Menschen.

Und auch zwei der Projekte, die ihr hier vom Blog kennt, waren bei der Nacht der Wissenschaft dabei: Beim Wissenschaftstalk unter dem Motto Was ist eigentlich „Citizen Science“? durften meine Kollegin, Dr. Anna Soßdorf, und ich, Christine Stender, die Ideen der Bürger*innenwissenschaft vorstellen und über unsere Forschungsprozesse berichten.

Als promovierte Kommunikations- und Medienwissenschaftlerin hat Anna Soßdorf gemeinsam mit Fridays for Future Düsseldorf und weiteren Wissenschaftler*innen im Projekt „Wer sind wir? Fridays für Future meets Citizen Science“ untersucht, wie die lokale FfF-Bewegung arbeitet, ihre Anhänger*innen mobilisiert und ihre Agenda an politische Entscheidungsträger*innen kommuniziert. Mehr zum Projekt findet sich hier im Blog.

Der Austausch mit Bürger*innen ist das Ziel der Nacht der Wissenschaft – genau wie in den Projekten „Kulturelle Teilhabe und Citizen Science“ und „Wer sind wir? Fridays für Future meets Citizen Science“. Aus diesem Grund haben Anna und ich eine offene Plattform schaffen wollen, um dieses Gespräch zwischen Wissenschaft und Bürger*innen zu ermöglichen. Nicht nur haben wir uns gegenseitig zu unserer Forschung befragt, sondern die Fragen und Anmerkungen des Publikums in den Fokus gestellt. Über Postkarten, die im Publikum verteilt wurden, sowie über ein Online-Tool, das über einen QR-Code aufrufbar war, konnten die Besucher*innen ihren Input notieren und Fragen einreichen, die wir unmittelbar beantwortet und diskutiert haben.

Und diese wichtigen Gedankenanstöße aus dem Publikum möchte ich auch hier nochmal Revue passieren lassen, weil sie nicht nur mich am Abend selbst betrafen, sondern das Projekt langfristig beeinflussen werden.

Angefangen bei „Was ist Citizen Science?“, über Fragen nach der Sicherung der wissenschaftlichen Qualität von  wissenschaftlichen Projekten mit Bürger*innenbeteiligung, bis zur Frage „Wie kann ich mitmachen?“ konnten wir uns inhaltlich ganz nach den Wünschen des Publikums richten und über die Grundidee der Citizen Science, Kategorien der Qualitätssicherung und Partizipationsmöglichkeiten sprechen. Und auch kritische Themen wurden offen angesprochen: Mit dem Kommentar „Klingt nach kostenlosen wissenschaftlichen Helfer*innen“ wurde ein Argument aufgegriffen, das im Wissenschaftskontext selbst schon kontrovers diskutiert wurde und dem ich und auch meine Kolleg*innen aus dem Kreis der Citizen Science entgegenstellen, dass es sich beim Engagement als Citizen Scientist immer um ein Geben und Nehmen handeln (muss). Die wissenschaftlichen Forscher*innen bekommen Zugriff auf Wissen, Daten und wichtige Praxisexpertise und die Citizen Scientists erfahren mehr über ein Thema, das sie interessiert, erhalten Einblick in Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens und sind Teil einer Fachcommunity, die gemeinsam daran arbeitet, Neues herauszufinden.

© Eva Caroline Eick

Leider hat unsere Idee, die Inhalte durch das Publikum bestimmen zu lassen, zu gut funktioniert, so dass wir nicht alle Fragen aus dem Plenum beantworten konnten. Daher möchte ich drei Fragen noch ihren verdienten Raum geben und sie hier beantworten:

Lohnt sich Citizen Science nicht lediglich für sehr oberflächliche wissenschaftliche Themen und trügt das Bild, „tiefer“ in die Wissenschaft zu blicken? Komplexe Themen benötigen schließlich ein umfangreiches Wissen.

Zunächst stimme ich dem Grundsatz natürlich zu, dass die Komplexität eines Themas und das benötigte Vorwissen zusammenhängen, aber hier liegt ein weiterer positiver Aspekt der Citizen Science: Es gibt nicht nur eine Vorgehensweise, sondern eine ganze Vielfalt an Umsetzungsoptionen. Während in unserem Projekt ‚ko-kreativ‘ gearbeitet wird – die Expert*innen aus den Vereinen also bei der Formulierung von Forschungsfragen, – hypothesen und auch dem geplanten Fragebogen involviert sind, gibt es auch Projekte, bei denen die Citizen Scientists bei der aktiven Erhebung der Daten mitwirken. Man denke an die alljährliche Zählung der Wintervögel durch den Naturschutzbund.
Damit ist in den meisten Projekten die Zusammenarbeit sehr spezifisch und der tiefere Blick – und damit auch das komplexere Vorwissen – können gemeinsam von Wissenschaftler*innen und Citizen Scientists erarbeitet werden.

Können CS Forschungsprojekte auch scheitern? Zum Beispiel aufgrund von fehlender Beteiligung oder Kontaktabbruch?

Auch hier ist meine erste Antwort: Ja, das können sie auf jeden Fall! Und auch hier kommt das „aber“ direkt hinterher: Während Citizen Science Projekte durch den kollaborativen Ansatz natürlich mehr auf die Beteiligung aus der Zivilgesellschaft angewiesen sind, klappt es erstaunlich oft, an einer grundsätzlichen Neugier der Menschen anzudocken und damit Citizen Scientists mit ins Boot zu holen, die nicht nur interessiert sind, sondern in Teilen schon über einen großen Schatz an Vorwissen zur Thematik verfügen. Und damit leistet Citizen Science meiner Einschätzung nach etwas für die Wissenschaft insgesamt sehr Wertvolles: Ohne die gute wissenschaftliche Praxis aus den Augen zu verlieren, spiegeln erfolgreiche Citizen Science Projekt die Fragen und Interessen der beteiligten Gesellschaft. Und der Erfolg bezieht sich hier auf ein nachhaltiges Involvement der Bürger*innen und darauf, dass „die Forschung“ sich so in einer Art der Gesellschaft auch wieder annähert. Alle Forschungsprojekte, die in der ein oder anderen Form vom Mitwirken einer Gesellschaft abhängen, können an dieser Abhängigkeit scheitern. Das Risiko bzgl. eines Kontaktabbruchs bei der Citizen Science sehe ich durch das höhere Involvement der Teilnehmenden nicht deutlich höher als bei der Abhängigkeit davon, Menschen zu finden, die einen Fragebogen ausfüllen.

Gibt es besondere Förderungen für Citizen Science Projekte? Wie positioniert sich die Politik zu dieser Forschungsform?

In den letzten Jahren ist die Zahl der Fördertöpfe für Citizen Science kontinuierlich gestiegen, nicht nur durch die Initiativen von Universitäten und Hochschulen, sondern auch im Rahmen von Projekten, die von politischer Seite ermöglicht werden. So hat zum Beispiel das BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) eine recht ansehnliche Zahl von Fördermöglichkeiten.
Die Förderung durch Ministerien und Forschungsinstitute ist so ein direkter Hinweis auf den politischen Willen, Citizen Science zu stärken. Dieser findet sich auch im aktuellen Koalitionsvertrag der Bundesregierung, die formuliert: „Wir werden mit Citizen Science und Bürgerwissenschaften Perspektiven aus der Zivilgesellschaft stärker in die Forschung einbeziehen.“[1]


[1] Koalitionsvertrag der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP 2021, S. 19.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert