Workshop 3: How to CO2-Bilanz!

von Nienke Wüst

You can’t manage what you can’t measure.

Dieser bekannte Leitsatz aus der Betriebswirtschaftslehre gilt ebenfalls im Management von Kulturinstitutionen. Bevor man Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit einleitet, ist es ratsam, eine Bestandsaufnahme zu machen, um Problemfelder zu identifizieren, Kennzahlen zu ermitteln und anhand dieser Prioritäten abzuleiten, welche Maßnahmen am sinnvollsten sind und welche Zielwerte man mit ihnen erreichen möchte. Hierfür kann es sich lohnen, in eine CO2-Bilanz zu investieren.

Im Workshop How to CO2-Bilanz! stellte Rebecca Heinzelmann vor, was eine CO2-Bilanz ist, wie sie funktioniert und unter welchen Bedingungen sie sinnvoll eingesetzt werden kann. Rebecca Heinzelmann ist als Kultur- und Nachhaltigkeitsmanagerin tätig und arbeitet aktuell mit mehreren Organisationen an CO2-Bilanzen, Prozessbegleitungen und Strategien.

© Nienke Wüst

Was ist eine CO2-Bilanz?

Doch was kann mich sich unter einer CO2-Bilanz überhaupt vorstellen? Die Definition steckt in den Wortbestandteilen selbst: CO2 ist ein natürlicher Bestandteil der Luft, ohne den das Leben auf der Erde nicht möglich wäre. Eine steigende CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre führt jedoch zu einer Erwärmung derselbigen, hier spricht man vom sogenannten Treibhauseffekt und von CO2 als Treibhausgas. CO2 entsteht bei zahlreichen Prozessen, u.a. bei der Verbrennung fossiler und regenerativer Rohstoffe, im Verkehr und in der Landwirtschaft. Eine Bilanz ist eine zusammenfassende Gegenüberstellung von Wertkategorien, die als Grundlage für eine Entscheidungsfindung dienen kann.

Eine CO2-Bilanz ist also zunächst eine Statusanalyse, die das Ziel verfolgt, alle Faktoren einer Organisation bzw. eines Betriebs zu identifizieren, die sich auf das Klima auswirken. Die errechneten Werte beschreiben, welche Menge an Treibhausgas-Emissionen produziert werden und auf welche bestimmten Aktivitäten sie zurückzuführen sind. Diese Aktivitäten schließen alle Bereiche des betrieblichen Prozesses ein, u.a. das Produkt, das Unternehmen, Veranstaltungen und Projekte und auch der persönliche CO2-Fußabdruck aller Beteiligten. Berechnet werden direkte (z.B. Energieverbräuche) und indirekte Treibhausgasemissionen (z.B. Geschäftsreisen), die durch die Aktivitäten eines Unternehmens entstanden sind.

How to CO2-Bilanz

Rebecca stellte im Anschluss an die Definition vor, in welchen Schritten der Prozess einer Klimabilanzierung abläuft. Der erste Schritt wird als „Mapping“ bezeichnet: Dabei werden zunächst alle einzelnen Aktivitäten gesammelt, die in einer Organisation stattfinden müssen, um ein Produkt zu produzieren oder den Geschäftszweck umzusetzen, und bei denen CO2 entsteht. Hier konnten die Seminarteilnehmenden selbst aktiv werden: In Kleingruppen sollten sie sich vorstellen, als Team einer Organisation im Kulturbereich eine CO2-Bilanz umsetzen zu wollen. Dabei kam an Aktivitäten sofort Einiges zusammen: Leihverkehr, Ausstellungsinventar, Flyer und Plakate, Büroartikel, Heizung, Klimatisierung, Depot, die Anreise der Besucher*innen und und und … Man merkt, selbst in kleineren Organisationen kommen schnell viele Faktoren zusammen. Für eine bessere Übersicht und Struktur können Einzelaktivitäten, die in Zusammenhang miteinander stehen, zu sog. Clustern zusammengefasst werden. Beispielsweise können die Emissionsquellen Strom-, Wasserverbrauch, Heizung und Müllentsorgung bzw. Recycling unter der Kategorie Gebäude zusammengefasst werden oder Dienstreisen, Transport, Anfahrt von Mitarbeitenden, etc. unter dem Punkt Mobilität.

© Rebecca Heinzelmann

Die Teilnehmenden bemerkten ebenfalls, dass der Prozess des Mappings schnell zu einem „Fass ohne Boden“ werden kann, also immer weitere Emissionsquellen gefunden werden können, je nachdem, welche Aspekte man in die Bilanz miteinbezieht. Zählt man die Emissionen externer Dienstleister*innen ebenfalls hinzu? Wie verhält es sich mit Daten, die man nicht ganz genau bestimmen kann, z.B. mit welchen Transportmitteln Besucher*innen angereist sind und wie viel CO2 dabei entstand? Diese und weitere Fragen tauchten während des Workshops auf. Für die Durchführung einer Klimabilanzierung ist es aus pragmatischen Gründen daher absolut notwendig, eine Systemgrenze zu definieren, also festzulegen, innerhalb welcher zeitlichen, organisatorischen und operativen Grenzen, Daten für die Institution erhoben werden sollen. Beispielsweise kann man den Analysezeitraum auf ein Jahr oder eine Spielzeit begrenzen, was den Prozess bereits deutlich überschaubarer macht. Außerdem muss man sich die Frage stellen, welche Emissionen für die Analyse besonders relevant – im Sinne von steuerbar – sind. Unter anderem trägt das Publikum einer Kulturinstitution wesentlich zu den entstehenden CO2-Emissionen bei, sein Verhalten ist durch die Organisation jedoch kaum bis gar nicht steuerbar, während sich für das Verhalten im eigenen Team wesentlich effektiver Maßnahmen entwickeln und umsetzen lassen, z.B. indem intern Fahrgemeinschaften gebildet werden. Anhand der Systemgrenze und einer solchen Wesentlichkeitsanalyse kann also festgelegt werden, welche Emissionsquellen man in der CO2-Bilanz genauer beleuchten möchte.

Als Handreiche hierzu kann das Greenhouse Gas Protocol dienen, welches Rebecca im Workshop vorstellte. Das Greenhouse Gas Protocol unterscheidet drei verschiedene „Scopes“. Scope 1: direkte Emissionsquellen, die man selbst besitzt bzw. kontrolliert (z.B. eigene Fahrzeuge, Öl-/Gasheizung, Diesel-Generatoren), Scope 2: eingekaufte Energie, die an einem anderen Ort produziert wird (z.B. Strom, Fernwärme) und Scope 3: indirekte Emissionen, die aus Aktivitäten des Betriebes entstehen (z.B. Geschäftsreisen, Beschaffung, Abfallmanagement).

Dann kann es weitergehen zum nächsten Schritt: die Datenerfassung. „Jede Klimabilanz ist nur so gut wie ihre Daten“, formulierte Rebecca im Workshop treffend. Die Datenerfassung kann so ablaufen, dass pro Cluster eine verantwortliche Person abgestellt wird, die dann die notwendigen und zur Verfügung stehenden Daten sammelt. Für die Daten können die unterschiedlichsten Quellen herangezogen werden, z.B. Ablesen von Zählerständen, Besuchszahlen, Fragebögen und Onlineumfragen, Speditionen, Verträge und viele weitere Möglichkeiten.

Auf Grundlage der gesammelten Daten kann die Berechnung und Auswertung der Emissionen beginnen. Die Formel, die dabei in einem CO2-Rechner verwendet wird, ist relativ simpel:

Aktivitätsdaten                       xEmissionsfaktor                    = CO2-Äquivalent
z.B. 1.540 kmz.B. Zugreise (0,032)49 kg CO2e

Was verbirgt sich hinter diesen Angaben? Die Aktivitätsdaten sind die konkreten Verbrauchsdaten, die zuvor von der Organisation ermittelt wurden. Dabei handelt es sich um Verbrauch, der in Kilometern, kWh, Kilogramm etc. gemessen werden kann. Der Emissionsfaktor „gibt an, wie viel Kilogramm (kg) oder Tonnen Treibhausgase beim Einsatz einer definierten Menge eines Energieträgers freigesetzt werden. Emissionsfaktoren haben zumeist die Einheit kg CO2 pro kg Energieträger. Sie erlauben es auch, verschiedene Energieträger mit Blick auf ihre Klimawirkung zu vergleichen.“[1] Emissionsfaktoren sind bereits definierte Werte, die sich aus unterschiedlichen Quellen beziehen lassen, beispielsweise dem Bundesamt für Umwelt oder der Europäischen Umweltagentur. Die Aktivitätsdaten multipliziert um den Emissionsfaktor ergeben dann das CO2-Äquivalent[2]der jeweiligen Aktivität. Diese Rechnung wird für alle definierten Aktivitäten und Verbrauchsgüter durchgeführt. Die Ergebnisse können dann in einem Bericht dargestellt werden, der als Basis dafür dient, Prioritäten zu setzen und konkrete Ziele und Maßnahmen zu formulieren.

Warum CO2-Bilanz?

Es lässt sich bereits erahnen, dass eine CO2-Bilanz ein aufwendiger, kleinteiliger und somit komplexer Prozess ist, der zeitliche und finanzielle Ressourcen kostet – Ressourcen, die man eventuell auch direkt für Maßnahmen umsetzen könnte, ohne vorherige Bilanz. In eine CO2-Bilanzierung sollte laut Rebecca nur dann investiert werden, wenn auch tatsächlich die Ambition besteht, anhand der ermittelten Ergebnisse konkrete Verbesserungsmaßnahmen anzustoßen, es darf also nicht bei einer bloßen Bestandsaufnahme bleiben. Man muss zuvor abwägen, worin der größere Mehrwert für eine Institution besteht. Eine CO2-Bilanz kann sehr viele Vorteile bieten, die Rebecca abschließend noch einmal zusammenfasste: Mithilfe einer CO2-Bilanz können Maßnahmen begründeter ausgewählt, nicht-offensichtliche Emissionsquellen gefunden, die Wirkung einer Maßnahme verifiziert, Daten in Verhandlungen eingesetzt und öffentliche Gelder einfacher beantragt werden.

Zu Rebecca Heinzelmann:
Rebecca Heinzelmann ist Kultur- und Nachhaltigkeitsmanagerin sowie KuK-Alumna. Sie arbeitete u.a. in einer Marketing-Agentur, bei der digitalen Düsseldorf oder der Ruhrtriennale und sitzt im Vorstand des Kasseler Kunstvereins. Seit 2022 ist sie Teil des Kollektivs für Zukunftskultur und arbeitet aktuell für und mit mehreren Organisationen an CO2-Bilanzen, Prozessbegleitungen und Strategien. 

Zur Autorin:
Nienke Wüst ist Studierende im Masterstudiengang Kunstvermittlung und Kulturmanagement an der HHU Düsseldorf und bildet gemeinsam mit Melina Hartmann und Katharina Reher das Team Dokumentation, welches das Düsseldorfer Symposium zur Nachhaltigkeit in Kunst und Kultur inhaltlich nachbereitet.


[1] https://allianz-entwicklung-klima.de/toolbox/was-sind-emissionsfaktoren/ [25.06.2023]

[2] Die Bilanz für den CO2-Ausstoß einer Institution schließt strenggenommen nicht nur CO2 ein, sondern es gibt eine Bandbreite verschiedener Treibhausgase, wie bspw. Methan und Distickstoffoxid. Diesen wird ein Faktor zugeordnet, das sog. Global Warming Potential (GWP) und anhand dessen werden sie in CO2-Äquivalente (CO2e) umgerechnet, um eine Vereinheitlichung und eine bessere Vergleichbarkeit zu gewährleisten.

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