von Katharina Reher
Kreislaufwirtschaft im Theater
Eine Etage über Johannes‘ Workshop fand Workshop Nr. 2 „Material und Kreislauf – Theater nachhaltig gedacht“ statt. Workshopleiter war Maximilian Gens, der Co-Leiter der Technischen Direktion am Düsseldorfer Schauspielhaus. Nach einem kurzen Kennenlernen tauchte Maximilian direkt in die Materie der Theaterproduktion ein und erläuterte zunächst den Ablauf einer nachhaltigen Produktion: angefangen beim Konzept hin zur Entwicklung des finalen Modells gehören viele Schritte mitgedacht, inklusive der Beschaffung, der Umsetzung und der finalen Ausstattung. Nach Laufzeitende geht es dann um die Wiederverwertung, die Entsorgung oder alternative Möglichkeiten, was mit den beschaffenen Materialien nun passiert.
Interaktiv und kreativ wurden Fragen der Kreislaufwirtschaft beim Brainstorming besprochen. Wir als Workshopteilnehmende sollten Ideen zu folgenden Fragen sammeln:
- Wo werden schon heute Materialien re-used/ re-cycled?
- Wo besteht noch Verbesserungspotenzial in Hinsicht auf Ressourcenschonung?
- Welche Material(-gruppen) werden am Theater gebraucht?
- Was wird am Theater aus (Roh-)Materialien hergestellt?
© Katharina Reher
Bei der anschließenden Diskussion wurde schnell klar: das Verbesserungspotenzial ist groß – die Realisierung aber auch komplex und die Wiederverwendung von Materialien schwieriger als gedacht. Mögliche Lösungsansätze könnten beispielsweise bei der Festsetzung von Standardgrößen für Bühnenbilder ansetzen, damit für mehrere Stücke beispielsweise dieselbe Theaterwand wiederverwendet werden könnte. Auch Bühnenbildner*innen achten zunehmend darauf, was im Fundus vorrätig ist und versuchen – auch aus Budgetgründen – mit vorhandenen Ressourcen zu arbeiten, doch die Umsetzung in der Praxis ist schwierig.
Auf die Frage, warum der Austausch und Verleih von Materialien unter Theaterinstitutionen nicht systematischer geregelt ist, stellte Maximilian zwei große Herausforderungen heraus: das Produkthaftungsgesetz und die Maschinenrichtlinie. Das Inverkehrbringen von Maschinen – auch von Theatermaschinen – unterliegt sehr komplexen behördlichen Regelungen und der Verkauf von Bühnenbildern gilt als Produkt – und fällt damit in die Produkthaftung. Daher hat ein Theater meist nur die folgenden Optionen: Recycling, Entsorgung oder Lagerung im eigenen Theaterfundus. Im Theaterfundus des Düsseldorfer Schauspielhauses lagern Kostüme, Requisiten, Bühnenbilder und Möbel auf einer Gesamtfläche von rund 2.400qm. Die jährliche Miete für die Lagerung der mehr als 60.000 Objekte beträgt ungefähr 290.000€. Hinzu kommen Kosten für das entsprechende Handling von ca. 173.000€, so dass die jährlichen Ausgaben des Theaterfundus ca. 463.000€ betragen. Überschlägt man diese Zahlen für NRW, ein Bundesland, in dem es ungefähr 20 Stadt- und Landestheater mit eigenen Fundi gibt, kommen wir zusammengerechnet auf ca. 875.000 Objekte und jährliche Gesamtausgaben in Höhe von ca. 6.715.625€.
Und nun?
Im Wrap-Up steht die Idee des „Zentralfundus“ im Fokus. Dies meint ein zentrales Depot, bspw. lokalisiert im Rhein-Ruhr-Gebiet, welches sich alle umliegenden Theater teilen könnten. Auf diese Weise vermeidet man die doppelte Anschaffung vieler Materialien und die Bühnenbildner*innen hätten mehr und nachhaltigere Gestaltungsoptionen. Anhand einer digitalen Dokumentation könnten die Theater sich untereinander koordinieren und so langfristig nicht nur budgetfreundlicher, sondern auch deutlich umweltbewusster arbeiten. Auf die Nachfrage, ob es schon Besprechungen dazu geben würde, hatte Maximilian eine positive Antwort für uns: Die Politik ist dran. Natürlich ist es schwierig für ein Theater, seine Unabhängigkeit ein Stück weit einzugrenzen und auch der Anfangsinvest wird groß sein – aber da wir nun die jährlichen Ausgaben der einzelnen Theaterfundi kennen, sind wir uns sicher, dass sich dieser Invest langfristig auf jeden Fall rentieren wird. Die nachhaltige Gewichtung dieser Implementationen lässt sich nicht in Zahlen darstellen, wir Workshopteilnehmenden sind uns aber einig, dass dieser Aspekt sehr wertvoll wäre. Maximilians Hoffnung: Die Theater werden unter politischer Moderation gemeinsam vorangebracht und eine nachhaltige und zukunftsfreundliche Lösung wird gefunden. Wir drücken die Daumen!
© Katharina Reher
Zu Maximilian Gens:
Maximilian Gens übernimmt 2023 die Co-Leitung der Technischen Direktion des Düsseldorfer Schauspielhauses. Schon während seines Studiums der Theatertechnik, sammelte er Erfahrungen am Volkstheater Wien und engagierte sich im Bundesvorstand der Jugendpresse Deutschland. 2018 startete er als Produktionsingenieur und Projektleiter am D’haus in sein berufliches Leben. Als Zillenial beschäftigt ihn aber seit jeher auch die Frage, wie die Darstellende Kunst nachhaltiger werden und dabei innovativ bleiben kann.
Zur Autorin:
Katharina Reher ist Studierende im Masterstudiengang Kunstvermittlung und Kulturmanagement an der HHU und bildet gemeinsam mit Melina Hartmann und Nienke Wüst das Team Dokumentation, welches das Düsseldorfer Symposium zur Nachhaltigkeit in Kunst und Kultur inhaltlich nachbereitet.