No more empty promises! Wie die Politik seit vielen Jahrzehnten die Wissenschaft kaum ernst nimmt

von Natascha Göbel, Viola Langhans und Isabell Plaß

24.09.2021 auf der ganzen Welt: Im Rahmen des globalen Klimastreiks gehen Millionen Menschen auf die Straße und fordern von der globalen Politik mehr Klimaschutz und eine Perspektive für jüngere Generationen. Durch die Proteste von Fridays for Future gelang es der Thematik rund um den bevorstehenden Klimakollaps, Einzug in den öffentlichen Diskurs zu erhalten. Die Wissenschaft aber beschäftigt sich schon seit sehr langer Zeit mit dem Klimawandel und seinen Folgen für die Menschheit. Prof. Dr. Michael Schmitt ist Lehrender an der Heinrich- Heine-Universität und versucht im Rahmen seiner verschiedenen Ringvorlesungen, die naturwissenschaftliche Komponente des Klimawandels Interessierten nahe zu bringen. In einem Gastvortrag in unserem Seminar am 17. November 2021 ging er unter anderem auf die naturwissenschaftliche Betrachtung der Klimakrise, ihre Geschichte, ihre Verbindung zur Politik und die Leugnungs-Frage in Hinblick auf die Wissenschaft ein. Dabei stehen wir Menschen, als Erzeuger und gleichzeitig Leidtragende, omnipräsent im Fokus.

CO2 + CO2 + CO2 – wir puzzeln die Klimakrise zusammen

Klimawandel klingt zunächst nach einem ziemlich erschlagenden Wort, hinter dem ein enorm komplexes Phänomen steckt. Jedoch ist die Kernaussage dieses begrifflichen Mammuts recht simpel zusammengefasst: Das Klima ändert sich. Das tut es schon immer, von Eiszeiten bis zu extrem warmen Trockenzeiten hat sich das globale Klima auf der Erde bereits mehrfach stark verändert. Allerdings geschahen die Temperaturveränderungen noch niemals in der Geschichte so rasant wie momentan – das bereitet Klimaforscher:innen und anderen Expert:innen Sorge. Wissenschaftliche Modelle treffen die Vorhersage, dass ein Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 2 Grad Celsius der Beginn von einem unaufhaltsamen Dominoeffekt sei. Das heißt: die sozialen und ökologischen Lebensverhältnisse auf der Erde werden sich massiv und unwiderruflich verändern – mit teils katastrophalen und teils unvorhersehbaren Folgen. Gerade die unvorhersehbaren Folgen sollten uns wortwörtlich ins Schwitzen bringen und sie lassen die Wissenschaftsgemeinschaft von einer Krise sprechen.

Zum Glück wissen wir wenigstens, warum die globale Durchschnittstemperatur steigt: Der Mensch ist durch seine Lebensweise verantwortlich. Seit Beginn der industriellen Revolution und dem Anstieg der Bevölkerungsdichte werden stetig klimawirksame Spurengase, sogenannte Treibhausgase, in die Atmosphäre gepumpt. Kohlenstoffdioxid, besser bekannt als CO2, Methan und Stickstoff. Eine zu hohe Konzentration dieser Gase in der Atmosphäre sorgt dafür, dass wir uns zunehmend fühlen als säßen wir in einem Garten-Treibhaus mitten in der Wüste Nevadas fest („Treibhauseffekt“). Um zu vermeiden, dass dieses Gefühl zur bitteren Realität wird, hat das Pariser Klimaabkommen 2015 den Grenzwert für eine weitere Erwärmung von 1,5°Celsius festgelegt: Wärmer darf es nicht werden!

Geschichte der Klimaforschung: Wie lange wissen wir eigentlich schon von dem Einfluss von Kohlendioxid auf das Klima?

Erste Theorien über einen physikalischen Effekt stammen aus dem 19. Jahrhundert: Im Jahre 1856 wurden die Forschungsergebnisse der US-Amerikanerin Eunice Foote präsentiert, aus denen erstmalig hervorging, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen der CO2- Konzentration in der Luft und der Erwärmung der Erdatmosphäre gibt.

Funfact: Da aber Frauen im 19. Jahrhundert in der Forschung keine Anerkennung erhielten, wurde erst dem schwedischen Forscher Svante Arrhenius im Jahr 1896 zugeschrieben, der Erste gewesen zu sein, der eine globale Erwärmung aufgrund der CO2-Emission voraussagt habe. 

Seit den 1940er Jahren beweisen zahlreiche Untersuchungen, dass der menschengemachte Treibhauseffekt Realität ist. Dazu entstanden in den 1960ern erste Klimamodelle, die durch Computerprogramme Messdaten lieferten.

Hier wird also klar: Wir Menschen wissen um die Klimawirksamkeit von CO2 schon seit mehr als 160 Jahren! Und seit circa 80 Jahren gibt es keinen Grund mehr am anthropogenen Treibhauseffekt zu zweifeln! Trotzdem wurde der Klimawandel erst im Jahr 2007 „offiziell“ bekannt gegeben.

Aber was ist in diesen letzten Jahren wirklich auf politischer Ebene passiert?

Seit den 1960er Jahren steigt der CO2-Gehalt in der Atmosphäre unvermindert an. Und dass trotz internationaler Abkommen und vielen Weltklimakonferenzen seit 1979! Zwar gab es einige Meilensteine in der vergangenen Zeit, jedoch hatten diese in der Praxis kaum Auswirkungen. Darunter zählt auf nationaler Ebene z.B. die Bundestags-Enquete-Kommission, die 1988 in ihrem ersten Bericht Maßnahmen zum Schutz der Erdatmosphäre empfahl. International betrachtet waren vor allem die Rio-Klimarahmenkonvention 1992, das Kyoto-Protokoll 1997, die Kopenhagen-COP 2009 und das Paris-Abkommen 2015 entscheidende Schritte für die Begrenzung der Erderwärmung.

Doch kann man seitdem auch von einem effektiven „Handeln“ der Politik sprechen? Gesellschaftliche Reaktionen machen deutlich: Nein. Die Politik steht mit dem Verdacht auf Kurzsichtigkeit, Trägheit, Verantwortungslosigkeit und der Leugnung von wissenschaftlichen Fakten seit 1940 vor dem sozialen Gericht. Greta Thunberg hat mit ihrer Rede „How dare you?“ auf dem UN-Klimagipfel 2019 Anklage erhoben. Weitere Proteste von unzähligen Klimaaktivist:innen folgten über Social Media, mit Demonstrationen und in öffentlichen Debatten. Gleichzeitig entstanden im Laufe der letzten Jahre soziale Bewegungen, wie “Ende Gelände“, “Extinction Rebellion“ und “Fridays for Future“, die für uns alle mit geeinter Kraft für echten Klimaschutz kämpfen.

Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die Politik in Zukunft das Paris-Abkommen einhalten und damit den Forderungen der Wissenschaft und der Zivilbevölkerung nachkommen wird. Ganz nach dem Motto von Professor Schmitt: “Rio, Kyoto, Paris: quo vadis?”

Wissenschaftliche Erkenntnisse zu leugnen, scheint in der aktuellen Debatte rund um die Corona-Pandemie ein echter Trend geworden zu sein. Jede:r meint, die eine richtige und fundierte Meinung über hoch komplexe Sachverhaltezu haben. Wer aber wissenschaftliche Erkenntnisse von renommierten Expert:innen leugnet, verschließt die Augen vor der Wirklichkeit. In Hinblick auf die Klimakrise erklärt Professor Schmitt jenes Phänomen wie folgt: „Es ist viel mehr Aufwand, Zweifel zu beseitigen, als Zweifel zu sähen!“.

Aufgeben ist keine Option!

Aus dem Vortrag von Professor Schmitt wurde klar: Die Wissenschaft fühlt sich von der Politik vernachlässigt und im Hinblick auf die knapper werdende Zeit fällt es immer schwerer optimistisch zu bleiben.

Trotzdem arbeiten Wissenschaftler:innen mit Ingenieur:innen, Architekt:innen, Landwirt:innen und Techniker:innen unaufhörlich an Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels. Dabei ist viel Köpfchen gefragt, denn jeder Eingriff in die Natur birgt das Risiko, die inhärente Balance der Umweltverhältnisse aus dem Gleichgewicht zu bringen. Wie bei dem Gesellschaftsspiel Jenga: Man sollte zuerst den Aufbau des Turms verstehen und sich die umliegenden Steine ansehen, bevor man einen bestimmten Block bewegt oder gar rauszieht.

Aber was kann ich tun? Muss ich erst zum Klimaexperten oder zur Klimaexpertin werden und hat ein:e Einzelne:r überhaupt einen Einfluss?

Wir sollten uns nicht zu sehr den Kopf über die Frage zerbrechen, ob unsere Entscheidungen im Einzelnen wirklich zählen. Denn wir können und müssen die Welt nicht allein retten. Es gibt eine Bewegung, der sich jede:r anschließen kann. Egal wie – politisches Engagement, ziviler Aktivismus, Klagen vor dem EuGH oder klimabewusste Entscheidungen im Alltag – in der Summe erzielen kleine Taten große Auswirkungen. Und noch etwas: Unser gemeinsames Engagement gibt der Wissenschaft, Expert:innen, Politiker:innen und allen Klimaaktivist:innen, die am Kampf gegen den Klimawandel beteiligt sind, die Motivation und Hoffnung weiterzumachen. Das ist doch schon mal was, oder?

Quellen:

Elli, Renate & Westram, Heike (2021) Die Geschichte der Klimaforschung. Abgerufen auf https://www.br.de/klimawandel/klimawandel-klimaforschung-geschichte-historisch-100.html zuletzt am 23.11.2021.

Schmitt, Michael (2020): Vortrag „Klimawandel und Ich Teil 01 – Was ist Klimawandel“. Abgerufen auf https://www.youtube.com/watch?v=LuFbaIiWnJc zuletzt am 23.11.2021.

Umweltbundesamt (2021): Die Treibhausgase. Abgerufen auf https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimaschutz-energiepolitik-in- deutschland/treibhausgas-emissionen/die-treibhausgase zuletzt am 23.11.2021.

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