von Katharina Schmidt, Teilnehmende bei den Tischgesprächen
Am 9. November haben die Heinrich-Heine-Universität gemeinsam mit der Bundesvereinigung kulturelle Teilhabe e.V. und der Kulturliste Düsseldorf e.V. zur Veranstaltung „Kultur mit wem? Tischgespräche zu Kultur und Teilhabe“ eingeladen. Über 100 Menschen haben an der Veranstaltung teilgenommen und einige berichten nun hier darüber, wie sie die Tischgespräche wahrgenommen und empfunden haben. Den Anfang macht Katharina Schmidt.
Als Asperger Autistin wäre ich vom Aufgebot und der großen Anzahl Menschen, die sich am 9. November 2023 im KAP 1, dem Gebäude nahe des Düsseldorfer Hauptbahnhofs am Konrad-Adenauer-Platz, eingefunden hatten, sicherlich völlig verängstigt und komplett überfordert gewesen, hätte mich nicht eine liebe Freundin, die genau wie ich zur Zielgruppe des Tages gehörte, unterstützend begleitet.
So hatte ich einen Ankerpunkt, der mir die Sicherheit bot, auch mal alleine alles zu erkunden und mich erstmal zu akklimatisieren, bis die Einführung und die Reden begannen, die mir ein bisschen zu lang und auch dröge vorkamen.
Aber sowas gehört eben dazu. Leider muss ich gestehen, dass mich gerade die Situation besonders angesprochen hat, in der die Technik versagte und sich alle weiteren Termine des Tages dadurch nach hinten verschoben. ADHS sei Dank bekomme ich ja auch wirklich alles um mich herum mit.
„Siehst du, keine Maschinen, die ein Programm abspulen, was vorher festgelegt wurde, es sind doch Menschen wie ‚du und ich'“, vermittelte mir mein gestresster Kopf. Ab dann begann ich mich zu entspannen und den weiteren Programmpunkten voller Vorfreude entgegen zu sehen. Und ich wurde nicht enttäuscht.
Als Kulturgästin sind mir das KAP 1 sowie die Räumlichkeiten des FFT, Forum freies Theater, wohlbekannt. Auch die Mitarbeitenden kenne ich teilweise, so dass ich mich dort immer wohl und gut aufgehoben fühle. Nur deshalb konnte ich mich überhaupt auf eine so große und, für mich als Long Covid-Patientin, lange Veranstaltung überhaupt einlassen.
Ein straff gespanntes Programm, unterbrochen durch ein paar wohlgeplante Pausen inklusive eines leckeren Mittagessens, bei dem wirklich an alle und alles gedacht wurde – und geschmeckt hat’s auch – rundete den offiziellen Teil ab.
Nach einer kurzen Mittagspause ging es in einzelnen Themengruppen weiter, nicht ohne dass wir vorher an verschiedenen Säulen per Post-it unsere Eindrücke schriftlich hinterlassen haben.
Feedback ist alles. Das verstehe ich gut, und so habe ich es gern gegeben, so wie hier jetzt auch.
Ohne entsprechende Ausbildung als Journalistin oder ähnliches, betrachte ich den Tag mit meinen ganz privaten Augen.
Meiner neurotypischen Freundin (neurologisch typisch, kurz NT, bezieht sich auf Menschen, die keinen Autismus haben) wurde es in der Mittagspause bereits zu viel, und so verabschiedete sie sich kurz darauf von mir und fuhr nach Hause.
Eigentlich hätte der Tag damit für mich beendet sein müssen, aber ich wollte noch tiefer in die Materie eindringen und bin deshalb mit meiner gewählten Gruppe in Richtung Bibliothek abgezogen.
Ein Kritikpunkt war, dass auf mich mit Rollator und daher wesentlich langsamer unterwegs und auch nicht Treppe-nutzend, anfangs nicht viel Rücksicht genommen wurde.
Wenn ich mich auf der nächsten Etage nicht bereits ausgekannt hätte, wäre ich nicht im Seminarraum angekommen.
Unwissentlich hatte ich mir den für mich spannendsten und interessantesten Raum ausgesucht.
Zuerst ging’s um die Fortuna (Fußballclub, Fortuna Düsseldorf, F95) und deren Fanbeauftragte für Behinderte, Betty Nowag, die uns eindrucksvoll vorstellte, was aktuell im Stadion möglich ist und dass man auch mit Rollator oder beispielsweise einer Sehbehinderung im Stadion ein gern gesehener Gast ist. Mein Fazit: Ich kann endlich wieder ins Stadion gehen! Das habe ich seit dem Beginn von Corona, und durch Long Covid zusätzlich behindert und deshalb nur noch mit Rollator unterwegs, arg vermisst.
Danach wurde die Oper vorgestellt, speziell die Deutsche Oper am Rhein, hier bei uns in Düsseldorf. Auch sie ist ein Lieblingsaufenthaltsort für mich. Besonders herausgehoben wurden die Jugendarbeit, aber auch die Einbindung von bisher Nicht-Operngänger*innen ins Operngeschehen, zum Beispiel durch das Projekt „Leichter getanzt als gesagt“ und auch die junge Oper mit ihrem UFO (einer mobilen Spielstätte) sowie das Ballett.
Da müsste eigentlich jede und jeder etwas Passendes für sich finden und in der Oper entdecken können.
Spannend fand ich von anderen Menschen anderer Vereine quer durch Deutschland – unserer Kulturliste ähnlich – zu erfahren, wie das bei ihnen so läuft, und welche Schwierigkeiten dort auftauchen.
Dieser Austausch war interessant und lehrreich für mich. Darüber hatte ich mir bisher wenig bis gar keine Gedanken gemacht, sondern einfach nur profitiert und genossen. Aber es steckt eine Menge mehr hinter dem simplen Vermitteln von Karten für eine kulturelle Veranstaltung. Man lernt eben nie aus.
Zum Abschluss des vollgepackten Tages fand noch ein lockerer Austausch statt, einer Stehparty ähnlich, auf der Häppchen gereicht wurden, der mich völlig überfordert hat.
Sobald sich feste Strukturen auflösen, geben sich alle der Gemütlichkeit hin und fühlen sich wohl, während ich anfange zu schwitzen und Panik bei mir ausbricht.
Ein kurzer Blick in den offenen Raum mit vielen Menschen, mir stiegen die Tränen hoch, und ich entschied mich innerhalb einer Sekunde, den Tag jetzt sofort zu beenden, um nicht heulend und komplett überfordert nach Hause fahren zu müssen. Das hätte der Tag nicht verdient, und so wollte ich mich auch nicht an ihn erinnern.
Also zog ich mich zurück und fuhr gelassen mit dem nächsten Bus nach Hause. Ich kenne meine Einschränkungen und war und bin mehr als begeistert, wie lange und wie gut ich aushalten konnte, wieviel ich mitgenommen habe und wie fein ich mich ins Gefüge des Tages einpassen konnte. Das gelingt mir beileibe nicht immer.
Ich brauche Bekanntes, Infos vorher, je mehr desto besser, Rückzugsmöglichkeiten, einen „festen“ Punkt und so weiter, um mich vielen Menschen mit einem mir ziemlich unbekannten Tagesablauf überhaupt stellen zu können.
Dass ich das die letzten Stunden sogar ohne Begleitperson geschafft habe, macht mich ziemlich stolz und zeigt mir, dass es manchmal doch geht, wenn nämlich das Umfeld stimmt und ich mich zwischen Menschen bewege, bei denen ich mich wohl und aufgehoben und anerkannt, eben gemocht, fühle.
Letztendlich ist es die Wertschätzung des einzelnen Menschen, ungeachtet seiner Bildung oder sonstiger Einschränkungen, die seinen Wert ausmacht.
Ich habe mich wertvoll gefühlt. Danke dafür.