Expert*in oder nicht? Das ist hier die Frage…

von Mascha Catalina Knipp, Marvis Owusu, Robin Timmler, Raphael Maes Vöhringer

Bei einem so wichtigen Thema wie dem genome editing sind wir auf das Wissen von Expertinnen und Experten angewiesen. Nur wer ist ein*e Expert*in und wer gibt nur vor eine*r zu sein? Wie können wir erkennen, welcher Expert bzw. welche Expertin durch die eigenen Erkenntnisinteressen oder aus privaten Gründen in seiner bzw. ihrer professionellen Position beeinflusst wird?

Was ist eigentlich Expertise?

Bevor wir uns für eine Auswahl von Expert*innen entscheiden können, müssen wir erstmal klären, wer überhaupt ein*e Expert*in ist oder worauf man achten muss, wenn man Expert*innen zu einem gewissen Thema suchen möchte.

Eine passende Definition wäre die von Goodman. Dieser sagt, dass eine Person nur als Expert*in angesehen werden kann, wenn:

  1. Die Person im eigenen Forschungsbereich mehr wahre Aussagen glaubt und weniger falsche Aussagen glaubt als die meisten anderen.
  2. Die Person eine gewisse Bandbreite an Fähigkeiten mit sich bringt, um sich diesem Bereich anzupassen und für neu aufkommende Fragen Antworten zu finden.

Diese Art von Definition weist eine Reihe an Schwierigkeiten auf. Eine davon wäre z.B. die Frage, wie man wahre und falsche Aussagen zählt oder ob alle Aussagen gleich wichtig sind. Alternativ könnte man die von Oliver Scholz erarbeitete Liste mit Symptomen für Expertise heranziehen, um zu beurteilen, ob es sich bei einer Person um eine Expertin oder einen Experten handelt.

Die Fähigkeit, Probleme in einem festgelegten Bereich zu lösen, eine Anstellung an einer Universität oder das regelmäßige Publizieren in dem relevanten Bereich, wären Symptome dafür, dass eine Person über relevante Expertise verfügt. Auch Preise können hier helfen, wie z.B. ein Nobelpreis in dem jeweiligen Gebiet. Oder auch, ob die ausgewählte Person in Gremien oder offiziellen Institutionen eine Rolle spielt oder einen Sitz hat.

Entdecke die vier Arten der Expertise nach Baylis

Nach Baylis gibt es vier verschiedene Arten von Expert*innen in wissenschaftspolitischen Debatten: reine Wissenschaftler*innen (pure scientists), Wissenschaftsanalytiker*innen (science analysts), Themen-Befürworter*innen (issue advocates) und Wissenschaftsdiplomat*innen (science diplomats).

Reine Wissenschaftler*innen betreiben Wissenschaft der Wissenschaft zuliebe und ihre Motivation ist nicht ökonomischer, ökologischer oder politischer Natur. Sie beteiligen sich nicht an politischen oder ethischen Debatten. So hat beispielsweise der Mikrobiologe Francisco Mojica, aus reiner Neugier heraus, als einer der ersten CRISPR charakterisiert. Wissenschaftsanalytiker*innen stellen politisch relevante Informationen zur Verfügung, mit dem Ziel, die politische Entscheidungsfindung zu unterstützen. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, komplexe wissenschaftliche Forschung Laien zugänglich zu machen. Wissenschaftsanalytiker*innen könnten beispielsweise Fragen bezüglich bestimmter Risikofaktoren, welche durch Keimbahninterventionen hervorgerufen werden, beantworten, indem sie Daten und Studien interpretieren.

Themenbefürworter*innen betreiben Aktivismus oder gegebenenfalls Lobbyismus, mit dem Ziel, eine politische Befürwortung für eine Agenda zu schaffen. In diesem Zusammenhang kann der Wissenschaftler Josiah Zayner genannt werden, der sich öffentlich dafür ausgesprochen hat, dass die sexuelle Reproduktion die schlechtere Geneditierungsvariante darstellt. Er argumentiert damit für die Produkte seines Unternehmens.

Wissenschaftsdiplomat*innen stellen eine Schnittstelle zwischen Politik, Öffentlichkeit und Wissenschaft dar. Häufig sind sie es, die sich für mehr Zeit einsetzen, um eine sorgfältige und reflektierte Debatte zu betreiben, konkurrierende Interessen abzuwägen und Institutionen zu schaffen, die beide zuvor genannten Punkte gewährleisten. Die meisten der Wissenschaftsdiplomat*innen sprechen sich für ein Moratorium aus. Im Falle von Keimbahninterventionen fordern viele Wissenschaftsdiplomat*innen ein temporäres Verbot der Editierung des menschlichen Erbgutes in der Keimbahn.

Der Zwiespalt der Expertise

In wissenschaftlichen Diskursen kommt es immer wieder zum Austausch von Wissenschaftler*innen, Expert*innen und Laien. Eine sachliche Aufklärung ist wichtig, damit alle auf einem ähnlichen Wissenstand sind und faktenbasierend argumentieren können – schließlich haben Expert*innen aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung mehr Wissen auf ihrem Fachgebiet und sind deswegen aus den Diskursen nicht wegzudenken. Man unterscheidet zwischen zwei Arten des Einflusses, den sie auf den wissenschaftlichen Diskurs nehmen können – den internen und den externen Einfluss.

Externe Einflüsse bestehen bspw. in der Bestimmung von Rahmenbedingungen, also wer z.B. an dem Diskurs teilnehmen darf. Oft werden Debatten zu Keimbahninterventionen auf wissenschaftlichen Konferenzen geführt, zu denen nur ein eingeschränkter Zugang für die Öffentlichkeit bzw. nur sehr selten die Möglichkeit aktiv zu partizipieren besteht.

Der interne Einfluss lässt sich am besten anhand von gewählten Kommunikationsmustern beschreiben. So fällt es beispielsweise auf, wenn bestimmte Techniken oder bewusst gewählte Metaphern und Worte positiv oder negativ konnotierter Form verwendet werden (framing). Ein zentrales Beispiel bezüglich des Umgangs mit Interventionen in die menschliche Keimbahn ist Jennifer Doudna. Durch ihre Erfindung der CRISPR/Cas-Genschere, prägte sie die Entwicklung und den Fortschritt von Eingriffen in das menschliche Genom maßgeblich.

Zu ihrem Einfluss und ihrer Glaubwürdigkeit trägt nicht nur ihr Beruf als anerkannte Genetikerin und ihr Nobelpreis bei, sondern ebenfalls ihre Kommunikationstechnik. So verwendet sie Begriffe wie responsible pathway oder prudent way forward. Dies suggeriert, dass der Weg bezüglich des Eingreifens in die Keimbahn im vollen Gange und unaufhaltbar sei. Sie setzt uns vor vollendete Tatsachen. In einem Beitrag, welcher auf YouTube zu sehen ist, wird zudem in nicht unbedingt transparenter Form von möglichen Risiken und Problemen berichtet. Im ersten Moment wirkt sie wie ein pure scientist, kann aber im nächsten Schritt auch als issue advocat eingeordnet werden. So ist sie beispielsweise ebenfalls geprägt von einem Interessenkonflikt bezüglich ihrer einerseits wissenschaftlichen Entdeckung, mit welcher sie in Verbindung gebracht wird und welche sie fördern möchte. Andererseits verfolgt sie auch ein finanzielles Interesse. Sie hat mehrere Firmen gegründet, welche sich mit CRISPR/Cas und der Gentechnik bezüglich möglicher Keimbahninterventionen auseinandersetzen.

Expertise in öffentlichen Diskursen ist also nicht ausschließlich ein neutrales Informieren und Empfehlen, sondern es schwingt meist auch ein – nicht unbedingt bewusstes – Eigeninteresse mit.

Und nun seid ihr gefragt: Welches der Twitterprofile gehört einem Experten bzw. einer Expertin im Bereich des genome editing?

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